Widerstand
dem Neoliberalismus, dem Militarismus und Krieg:
Für
Frieden und soziale Gerechtigkeit
05.02.2002
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1.
Angesichts einer fortwährenden Beschädigung der
Lebensbedingungen der Völker, haben wir, die sozialen
Bewegungen der ganzen Welt, uns zum zweiten Weltsozial in
Porto Alegre getroffen. Wir sind hier aus Verachtung
über die Versuche, unsere Bewegung spalten zu wollen.
Wir treffen uns deshalb erneut, um unsere Kämpfe gegen
Neoliberalismus und Krieg fortzusetzen und die
Übereinkünfte des letzten s zu bestätigen,
dass eine andere Welt möglich ist.
2.
Wir sind verschieden: Frauen und Männer, Erwachsene und
Jugendliche, Ureinwohner, Bauern und Städter, Arbeiter
und Arbeitslose, Obdachlose, Alte, Studenten, Menschen
jeglichen Glaubens, jeglicher Farbe, von unterschiedlicher
sexueller Orientierung. Der Ausdruck dieser Verschiedenheit
ist unsere Kraft und die Basis unserer Einheit. Wir sind
eine globale Solidaritätsbewegung, vereinigt durch
unsere Bestimmung die Konzentration des Reichtums, die
Verbreitung der Armut und der Ungleichheit, sowie die
Zerstörung unserer Erde zu bekämpfen. Wir sind
dabei Alternativen aufzubauen und wir gebrauchen kreative
Methoden, um sie voranzubringen. Wir sind dabei eine breite
Allianz gegen ein System zu errichten, das auf Patriarchat,
Rassismus und Gewalt beruht, das die Interessen des Kapitals
gegenüber den Bedürfnissen und Erwartungen der
Völker privilegiert.
3.
Dieses System produziert das tägliche Drama von Frauen
und Kindern und Alten, die vor Hunger sterben, es produziert
die Abwesenheit von Gesundheitsvorsorge und es produziert
Krankheiten, denen vorgebeugt werden könnte. Ganze
Familien werden gezwungen, ihre Häuser auf Grund von
Kriegen, durch den Druck der "Megaentwicklung", wegen
mangelndem Boden, wegen Umweltkatastrophen, wegen Angriffen
auf die öffentlichen Dienstleistungen sowie der
Zerstörung der sozialen Solidarität aufzugeben. Im
Süden wie im Norden werden kräftige Kämpfe
und Widerstand hervorgerufen, um die Würde des Lebens
zur Geltung zu bringen.
4.
Der 11. September bezeichnete eine dramatische Wende. Nach
den terroristischen Anschlägen, die wir entschieden
verurteilen, so wie wir alle Anschläge auf Zivilisten
in jedem Teil der Welt verurteilen, haben die Vereinigten
Staaten mit ihren Alliierten eine gewaltige
Militäroperation begonnen. Im Namen des "Krieges gegen
den Terrorismus" werden in der ganzen Welt zivile und
politische Rechte verletzt. Mit dem Krieg gegen Afghanistan,
in dem ebenfalls terroristische Methoden angewandt wurden,
und mit den zukünftigen, bereits vorbereiteten Kriegen,
befinden wir uns in einem permanenten globalen Krieg. Seine
Ausweitung wurde durch die Regierung der USA und ihren
Alliierten entfesselt, um ihre Herrschaft zu festigen.
Dieser Krieg enthüllt das brutalste und nicht
akzeptable Gesicht des Neoliberalismus.
Der
Islam wird dämonisiert, während Rassismus und
Xenophobie ihre ungehinderte Verbreitung finden. Information
und Massenmedien beteiligen sich aktiv an dieser
Kriegskampagne, die die Welt in "gut" und "böse"
einteilt. Die Opposition gegen diesen Krieg ist eines der
konstitutiven Elemente unserer Bewegungen.
5.
Die Situation des Krieges hat nunmehr den Mittleren Orient
destabilisiert und den Vorwand für die neuerliche
Repression gegen das palästinensische Volk geschaffen.
Angesichts der brutalen Besatzung Israels, besteht eine
dringliche Aufgabe unserer Bewegung darin, zur
Solidarität mit dem palästinensischen Volks zu
mobilisieren und seinen Kampf um Selbstbestimmung zu
unterstützen. Das ist lebenswichtig für die
kollektive Sicherheit aller Völker dieser Region.
6.
Nunmehr bestätigen weitere neue Ereignisse die
Dringlichkeit unserer Kämpfe. In Argentinien
verursachte das Scheitern der Strukturmaßnahmen des
Internationalen Weltwährungsfonds (IMF, IWF) eine
Finanzkrise, deren steigende Schuldenlast die soziale und
politische Krise verschärfte. Diese Krise rief spontane
Proteste der arbeitenden Klassen und der Mittelschicht
hervor, und sie führte zu einer Repression, die Tote
forderte, einen Wechsel in der Regierung verursachte und zu
neuen Allianzen zwischen den verschiedenen Klassen
führte. Mit der Kraft der "Cacerolasos" schaffte es das
Volk, sich der grundlegenden Bedürfnisse zu
versichern.
7.
Der Zusammenbruch des Multis Enron ist ein Beispiel für
den Bankrott der Ökonomie eines "Freudenhauses", und
der Korruptheit von Geschäftsleuten und Politikern. Die
Arbeiter blieben ohne Anstellung und ohne Pensionen. In den
Entwicklungsländern sorgte dieser multinationale
Konzern mit seinen betrügerischen Aktivitäten
dafür, dass Menschen von ihrem Land verjagt werden
durch die unverhältnismäßige Steigerung der
Wasser- und Strompreise.
8.
Die Regierung der Vereinigten Staaten hat in ihren
Bemühungen die Interessen der großen Unternehmen
zu schützen, arrogant die Verhandlungen in Kyoto zur
globalen Erwärmung verlassen. Der Vertrag über
antiballistische Raketen, die Konvention zur
Biodiversität, die Auseinandersetzung zur Reduktion der
Lieferung leichter Waffen, zeigen erneut den Unilateralismus
der Vereinigten Staaten und ihre Versuche das Finden
multilateraler Lösungen für globale Probleme zu
sprengen.
9.
In Genua ist der G8-Gipfel mit seiner Arroganz einer
globalen Regierung vollständig gescheitert. Angesichts
einer massenhaften Mobilisierung und des Widerstands, haben
sie mit Gewalt und Repression geantwortet, und denunzierten
die als Kriminelle, die es wagten zu protestieren. Es gelang
ihnen jedoch nicht, unsere Bewegung
einzuschüchtern.
10.
All das vollzieht sich im Kontext einer globalen Rezession.
Das neoliberale ökonomische Modell zerstört die
Rechte, die Lebensbedingungen und den Lebensstandard der
Völker. Da ihnen jedes Mittel recht ist, ihre
Dividenden zu verteidigen, greifen die multinationalen
Konzerne zu Kündigungen, kürzen Gehälter,
schließen ihre Fabriken und pressen ihre Arbeiter
dabei bis zum letzten aus. Die Regierungen antworten
angesichts dieser ökonomischen Krise mit
Privatisierungen, mit Kürzungen im Sozialhaushalt und
einer andauernden Beschneidung der Arbeiterinnen und
Arbeiterrechte. Diese Rezession beweist die Tatsache, dass
die neoliberalen Versprechungen von Wachstum und
Prosperität eine Lüge sind.
11.
Die globale Bewegung für soziale Gerechtigkeit und
Solidarität steht gewaltigen Herausforderungen
gegenüber. Ihr Kampf für Frieden und soziale
Gerechtigkeit verlangt die Auseinandersetzung mit der Armut,
der Diskriminierung, bedarf der Herrschaft und der Schaffung
einer erträglichen alternativen Gesellschaft. Die
sozialen Bewegungen verurteilen mit aller Entschiedenheit
die Gewalt und den Militarismus als Instrumente zur
Lösung von Konflikten. Sie verurteilen die Führung
von Kriegen auf niederer Stufe, die Militäroperationen
des Plan Colombia, als Teil einer Initiative in der
Andenregion, sie verurteilen den Plan Puebla Panama, den
Waffenhandel, das Anwachsen der Militärausgaben, die
ökonomischen Embargen gegen Völker und Nationen,
insbesondere gegen Kuba und Irak, und sie verurteilen die
wachsenden Repressionen gegen Gewerkschafter und Aktivisten.
Wir unterstützen die Kämpfe der Gewerkschaften und
Arbeiter des informalen Sektors, die ein wichtiges
Instrument zur Verbesserung der Lebens- und
Arbeitsbedingungen darstellen, wir treten ein für das
effektive Recht, sich zu organisieren, zu streiken, für
das Recht auf Gegenwehr auf verschiedenen Ebenen, für
gleiche Bezahlung und gleiche Arbeitsbedingungen für
Frauen und Männer. Wir lehnen Sklaverei und die
Ausbeutung von Kindern ab. Wir unterstützen die
Kämpfe der Arbeiter und Gewerkschaften gegen
Flexibilität, gegen die Auslagerung von Arbeit, gegen
Kündigungen und wir verlangen neue internationale
Rechte für die Arbeiter und Arbeiterinnen der Multis
und ihrer Zulieferer, insbesondere das Recht auf freie
gewerkschaftliche Betätigung und das Recht auf
kollektiven Widerstand.
12.
Die neoliberale Politik schafft weiteres Elend und weitere
Unsicherheit. Sie hat in unerhörter Weise den Sexhandel
und die sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern
erhöht, was wir mit aller Kraft verurteilen. Armut und
Unsicherheit führen auch zur Migration von Millionen
Menschen, deren Würde, Freiheit und deren Rechte
negiert werden. Deshalb verlangen wir das Recht auf
Bewegungsfreiheit, das Recht auf physische Integrität,
und ein Rechtsstatut für alle emigrierten Arbeiterinnen
und Arbeiter. Wir unterstützen die Rechte der
Ureinwohner und die Anwendung des Art. 169 der ILO
(International Labour Organisation) im Rahmen der nationalen
Gesetzgebungen.
13.
Die Auslandsverschuldung der südlichen Länder ist
schon mehrfach zurückgezahlt worden. Die illegitime,
ungerechte und betrügerische Verschuldung dient als
Herrschaftsinstrument, beraubt die Völker ihrer
fundamentalen Menschenrechte und hat nur das eine Ziel, die
internationale Wucherei zu steigern. Wir verlangen die
bedingungslose Streichung der Schuldenlast und die
Wiedergutmachung für historische, soziale und
ökologische Schulden. Die Länder, welche die
Zurückzahlung der Auslandsschulden fordern, vollziehen
die Ausbeutung der Naturressourcen und der Intellektuellen
des Südens.
14.
Wasser, Erde, Nahrung, Wald, Saatgut und die Identität
der Völker sind Allgemeingut der Menschheit, der
augenblicklichen und zukünftigen Generationen. Eine
wichtige Aufgabe ist der Schutz der Biodiversität. Die
Völker haben ein Recht auf gesunde und
regelmäßige Ernährung, die frei von
genmanipulierten Organismen ist. Die Souveränität
der Ernährung auf nationaler, regionaler und lokaler
Ebene stellt ein fundamentales Menschenrecht dar. Und in
diesem Sinne ergeben sie die fundamentalen Forderungen nach
Agrarreform und Land für die Bauern.
15.
Der Gipfel von Doha bestätigte die Illegitimät der
WHO/WTO. Diese "Agenda der Entwicklung" verteidigt in der
Wirklichkeit einzig die Interessen der multinationalen
Konzerne. Mit der Einleitung einer neuen Runde, ist die
WHO/WTO ihrem Ziel näher gekommen, jeden Gegenstand in
eine Ware zu verwandeln. Für uns sind Nahrung,
öffentliche Dienstleistungen, Agrikultur, Gesundheit,
Bildung und Gene keine verkäuflichen Dinge.
Außerdem lehnen wir die Patentierung jeder Lebensform
ab. Die Agenda der WHO/WTO wird auf kontinentaler Ebene
durch die Abkommen zum freien Handel und Investment weiter
ausgedehnt. Durch Proteste wie Demonstrationen gegen die
FTAA (FreeTradeArea of the Americas- Amerikanische
Freihandelszone), zeigen die Völker, dass sie diese
Abkommen ablehnen. Sie bedeuten die Neokolonialisierung und
die Zerstörung fundamentaler Werte auf sozialem,
ökonomischem, kulturellem und ökologischem Gebiet.
16.
Wir wollen unsere Bewegung durch allgemeine Aktionen und
Mobilisierung weiter stärken: für soziale
Gerechtigkeit, für Respekt von Recht und Freiheit,
für Lebensqualität und Gleichheit, für
Würde und Frieden.
Wir
kämpfen:
-
Für Demokratie: die Völker haben ein Recht die
Entscheidungen ihrer Regierungen zu kennen und zu
kritisieren, besonders, wenn sie internationale
Institutionen betreffen. Die Regierungen müssen
ihren Völkern gegenüber verantwortlich handeln.
Während wir die Verbreitung der Demokratie durch
Wahlrecht auf der ganzen Erde unterstützen, betonen
wir gleichzeitig die Notwendigkeit der Demokratisierung
von Staat und Gesellschaft und den Kampf gegen die
Diktatur.
-
Für die Streichung der Auslandschulden und ihrer
Wiedergutmachung
-
Gegen Spekulationen: Wir fordern die Einführung
spezifischer Steuern wie die Tobin Tax und die
Abschaffung der Steuerparadiese.
-
Für Informationsrecht
-
Für die Rechte der Frauen, Befreiung von Gewalt,
Armut und Ausbeutung
-
Gegen Krieg und Militarismus; gegen ausländische
Militärbasen und Einmischung, sowie gegen die
systematische Eskalation von Gewalt. Wir ziehen es vor,
Verhandlungen und gewaltlose Lösungen von Konflikten
zu bevorzugen. Wir bestätigen das Recht aller
Menschen auf internationale Vermittler unter Teilnahme
unabhängiger Akteure der
Zivilgesellschaft.
-
Für eine demokratische und soziale Europäische
Union, die sich an den Bedürfnissen der
Arbeiterinnen und Arbeiter und denen der
europäischen Völker orientiert sowie der
Notwendigkeit einer Zusammenarbeit und der
Solidarität mit den Völkern des Ostens und
Südens.
-
Für die Rechte der Jugend, den freien Zugang zu
öffentlicher kostenloser und sozial autonomen
Bildung; Abschaffung der Wehrpflicht
-Für
die Selbstbestimmung aller Völker, speziell jedoch
der Rechte der indigenen Völker.
Für
die kommenden Jahre organisieren und mobilisieren wir
kollektiv:
Im
Jahr 2002:
-
8. März - Internationaler Tag der Frauen -
- 17. April - Internationaler Tag der Kämpfe der
Bauern -
- 1. Mai - Tag der Arbeiter und Arbeiterinnen -
- 7. Oktober - Welttag der Obdachlosen
- 12. Oktober - Schrei der Ausgegrenzten -
- 16. Oktober - Tag der Ernährung -
- 10.-14.Dezember - Weltwoche der Menschenrechte
Weitere
globale Veranstaltungen finden statt:
-
15.-16. März - zum EU-Gipfel in Barcelona -
- 18.-22. März - Monterrey (Mexiko), zur
UNO-Konferenz über Entwicklungsfinanzierung -
- 17.-18. Mai - zum lateinamerikanisch, karibisch,
europäischen Gipfel in Madrid -
- Mai - Jahrestreffen der ADB (Asia Development Bank),
Shanghai, China -
- 1. Mai - internationaler Aktionstag gegen
Militarismus und für Frieden -
- Ende Mai, 4. vorbereitendes Treffen des Weltgipfels
für Nachhaltige Entwicklung, Inonesien -
- 12. Juni - Rom, zum Welternährungsgipfel -
- 22.-23. Juni - Sevilla, zum EU-Gipfel -
- Juli - Toronto und Calgary (Canada), zum G8-Gipfel
-
- 22. Juli - USA, Kampagne gegen Coca Cola -
- September - Johannesburg (Südafrika), Rio +10
-
- September - ASEM, Asia Europe Meeting, Kopenhagen
-
- Oktober - Quito (Ecuador), Kontinentales Sozial
"Eine neue Integration ist möglich" sowie weitere
Sozialforen auf regionaler und kontinentaler Ebene
-
- November - Havana, Kuba, zum zweiten Treffen der
Region gegen die FTAA -
- Nov.-Dez. - Mexico, Ministerkonferenz der WHO
- Dezember - Kopenhagen, zum EU-Gipfel
Im
Jahr 2003:
-
April - Buenos Aires (Argentinien), zum FTAA-Gipfel,
- Juni - Thessaloniki, zum EU-Gipfel
- Juni - G8 in Frankreich
wann
und wo WeltHandelsOrganisation, Weltbank und
InternationalerWährungsFond sich auch treffen - wir
sind dabei!!!
Übersetzung:
G.Melle, Ortenau-Zeitung
Die
wichtigsten Webadressen für Deutschland sind:
http://www.dsf-gsf.org,
http://weltsozial.org/2003.esf.00/index.html,
http://www.fse-esf.org/
Der
Aufruf zum Europäischen Sozial befindet sich unter
http://www.dsf-gsf.org/material/aufruf_esf.html
Emanzipation
Humanum,
Version10. 2002, Kritik, Anregungen zu Form und Inhalt,
Dialog sowie unveränderter Nachdruck bei Quellenangabe
und Belegexemplar erwünscht. Übersetzung in andere
Sprachen erwünscht. Kürzungen und Änderungen
nach Absprache möglich.
http://emanzipationhumanum.de/deutsch/sozfor.html
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