Wenn
ein Bundeswehreinsatz innerhalb der NATO mit der
Notwendigkeit der Entwaffnung von Rebellen begründet
wird, die allerdings seitens der USA personell wie materiell
unterstützt werden, dann kann diese Begründung
nicht ehrlich gemeint sein - Das Schlimme ist, daß
unser Rechtssystem bereits derart verkommen ist, daß
selbst offensichtliche Lügen der Politiker, Intrigen
der Interessensgruppen und Manipulationen der
öffentlichen Meinung folgenlos zu bleiben
scheinen.
Der
Krieg auf dem Balkan und seine
Hintergründe
-
Mazedonien -
wieder
wird ein Bürgerkrieg auf dem Balkan, diesmal in
Mazedonien, von der NATO und ihrer Führungsmacht USA
für sehr viel weitreichendere Ziele instrumentalisiert.
Wieder
wird die Öffentlichkeit getäuscht und belogen -
und die meisten Medien scheinen aus dem letzten Krieg 1999
kaum etwas gelernt zu haben.
Die
USA versorgen sowohl die UCK (vgl.
Hamburger Abendblatt,
28.6.01)
als auch die mazedonische Regierung (vgl. "Der Spiegel,
14.5.01, S. 160) mit Waffen und werden nicht müde,
ständig neues Öl ins Feuer zu gießen.
In
der Öffentlichkeit dagegen wird nach wie vor der
Eindruck erweckt, Aufgabe der NATO sei die Entwaffnung der
UCK.
In
der Sendung "Streitkräfte und Strategien" des NDR 4 am
24.3.2001 wurde bereits darauf hingewiesen, dass in den
Ausbildungslagern in Albanien britische und amerikanische
Spezialisten den Ton angeben sollen. Weiterhin verwies die
Sendung darauf, dass die NATO wie auch bereits 1999 so auch
im Falle Mazedonien nicht bereit ist, Russland einzubinden.
Die
Entscheidung der US-Regierung, die strategische
Partnerschaft mit Russland aufzukündigen, einseitig an
einem Raketenabwehrschirm zu bauen und 50 russische
Diplomaten aus den USA auszuweisen, könne durchaus mit
dem Krieg in Mazedonien in Verbindung gebracht werden: Dort
wäre ein neuer Stellvertreterkrieg zwischen den so
verschiedenen Rivalen vorstellbar. Die mazedonische
Regierung erhält ihre Waffen vornehmlich aus Russland,
der Ukraine und Bulgarien. Zu den Leittragenden dieser
Politik gehörten - neben und vor allem den Menschen vor
Ort - auch diesmal wieder die NATO-Europäer.
Während
möglicherweise der Bundestag in Kürze zu einer
Sondersitzung über einen erneuten Kriegseintritt der
Bundeswehr zusammenkommen und beraten wird, ist bereits
jetzt schon ein Schiff mit Leopard II-Panzern und
Marderschützenpanzern nach Thessaloniki unterwegs. Ob
seine Ware für Kosovo oder für Mazedonien bestimmt
ist, lässt sich derzeit nicht mit Gewissheit sagen.
Sollten die Panzer für Mazedonien bestimmt sein,
wäre dies ein Hintergehen des Parlamentes.
Weiterhin
ist nicht auszuschließen, dass ein Einsatz der
Bundeswehr in Mazedonien als Argumentationsgrundlage dienen
könnte, der Bundeswehr neue Milliardenbeträge zu
genehmigen.
Der
Friedensbewegung und auch der Friedensforschung ist es beim
Kosovo-/ Jugoslawienkrieg nicht gelungen, der massiven
Kriegspropaganda genügend Aufklärung entgegen zu
setzen und damit die öffentliche Zustimmung zum Krieg
zu verhindern. Wer relevante Hintergründe wissen
möchte, könnte sich diese auch diesmal wieder
vorher besorgen.
Was
- bei vielen Parallelen zum Kosovo-/Jugoslawienkrieg -
diesmal sich erheblich unterscheidet, ist die Meinung der
Bundestagsabgeordneten zu einem erneuten Militäreinsatz
ohne UN-Mandat in Mazedonien. In allen Fraktionen gibt es
Wider- stände gegen einen weiteren Einsatz - aus sehr
unterschiedlichen Motiven.
Diese
Tatsache gilt es zu nutzen, um Abgeordnete über
Hintergründe zu informieren, die ihnen
möglicherweise auch diesmal wieder die Regierung
verschweigt. Diesem Anliegen der Aufklärung und der
Forderung nach einem Verzicht auf einen erneuten
Militäreinsatz dient der nachfolgende Brief an
Bundestagsabgeordnete, den Prof. Dr. Andreas Buro für
das Komitee für Grundrechte und Demokratie, Mani
Stenner für die AG out-of-area im Netzwerk
Friedenskooperative und ich für den deutschen Zweig des
Internationalen Versöhnungsbundes gemeinsam als erste
unterzeichnet haben.
Die
NATO hat jede Glaubwürdigkeit als "neutrale" Partei zur
Krisenbewältigung verloren. Eine Einbindung der UN,
deren UNPREDEP-Mission über Intrigen wie die
Anerkennung Taiwans durch Mazedonien gegen Geld und die
daraufhin erfolgte Nichtverlängerung des UN-Mandats
durch China im UN-Sicherheitsrat aus Mazedonien
befördert wurde und damit Platz für die NATO
schuf, ist ebenso notwendig wie die Stärkung der am
Boden liegenden OSZE.
Clemens
Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim
deutschen
Zweig des internationalen Versöhnungsbundes
Brief
vom 7.2001: An N.N., MdB, Deutscher Bundestag, Platz der
Republik, 11011 Berlin
Betrifft:
Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien
Sehr
geehrte N.N.
ich
fordere Sie auf, im Bundestag gegen jede
Ermächtigungsvorlage der Bundesregierung für
einen möglichen Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien
zu stimmen.
In
Mazedonien drohen die bisherigen Kämpfe, sich zu
einem Bürgerkrieg auszuweiten. Die NATO und mit ihr
die Bundeswehr sollen nach dem Willen von Bundeskanzler
und Außenminister eingreifen können. Angeblich
geht es nur um das Einsammeln von Waffen der Guerilla
innerhalb von 30 Tagen auf der Grundlage einer
Vereinbarung zwischen der Regierung Mazedoniens und den
albanischen UCK-Freischärlern. Eine solche
Vereinbarung ist jedoch nicht in Sicht. Die albanische
Seite strebt eine dauerhafte Stationierung von
NATO-Truppen an, während Mazedoniens Regierung die
Entwaffnung der Guerilla und dann einen schnellen Abzug
der NATO wünscht. Währenddessen wachsen die
Feindseligkeiten auf beiden Seiten. Zu befürchten
ist, dass sich der Konflikt nicht beherrschen
läßt und aus dem Einsammeln von Waffen ein
Kampf mit Waffen wird, der zu einem weiteren
NATO-Protektorat auf dem Balkan mit unabsehbaren
Konsequenzen und Kosten führen kann.
Als
Konfliktschlichter ist die NATO nicht geeignet. Sie ist
in Mazedonien nicht vertrauenswürdig, da sie die
kosovo-albanische UCK unterstützte, sie nicht
wirksam entwaffnete und trotz KFOR-Präsenz deren
grenzüberschreitenden Aktionen nach Serbien und
Mazedonien nicht verhinderte. Sie ist aber auch nicht
sehr vertrauenswürdig, da sie einerseits mit dem
Krieg gegen Jugoslawien das Land enorm belastete, es
jedoch niemals angemessen entschädigte. Die
gegenwärtige desolate Situation in Mazedonien ist
mit dieser Tatsache eng verbunden. Darüber hinaus
ist mehr als fraglich, ob die EU-Staaten und die USA
innerhalb der NATO überhaupt die gleichen Ziele
verfolgen.
Jüngst
wurde bekannt, dass sich unter den aus Aracinovo
abziehenden UCK-Rebellen 17 frühere US-Offiziere als
Instrukteure befanden und die Ausrüstung,
einschließlich modernster Nachtsichtgeräte der
dritten Generation, zu einem erheblichen Teil aus
amerikanischen Beständen stammen.
Das
muß doch der Bundesregierung bekannt sein. Sollen
die, die das Öl ins Feuer gießen, nun als
Friedensstifter wirken?
Für
die Konfliktschlichtung in Mazedonien muß vor allem
eine politische Lösung gefunden werden. Hierfür
sind die Vereinten Nationen zuständig - bei Erfolg
auch für das Einsammeln von Gewehren. Der
Weltsicherheitsrat muß der UNO und ihrer
Regionalorganisation in Europa, der Organisation für
Sicherheit und Zusammenarbeit, OSZE, sogleich einen
entsprechenden Auftrag erteilen und die dafür
erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen. So
würde auch Rußland in die Verantwortung
für eine friedliche Lösung des Konflikts
eingebunden.
Ferner
würde einer weiteren Militarisierung von
Außenpolitik vorgebeugt werden.
Kriegsfördernde Vorratsbeschlüsse wie im
Oktober 1998 sollte sich ein selbstbewusstes und
verantwortliches Parlament nicht mehr leisten.
Ich
bitte Sie, sich als Mitglied des Deutschen Bundestags
gegen eine deutsche militärische Beteiligung in
Mazedonien und für eine Einbeziehung der UNO in die
Konfliktvermittlung auszusprechen und mit diesem Ziel
deutsche Außenpolitik in die Pflicht zu
nehmen.
Mit
freundlichen Grüßen
Hintergrund-Informationsmaterial bieten u.a. die
nachfolgend aufgeführten Artikel:
1.
Hamburger
Abendblatt: "US-Berater halfen Albaner-Rebellen",
28.6.2001
2.
Frankfurter
Rundschau: "Ich denke, dass wir wieder in etwas
hineinschlittern", In Mazedonien droht ein weiterer
unseliger NATO-Krieg, warnen Hermann Scheer (SPD) und Willy
Wimmer (CDU), 28.6.2001
3.
Brief Willy Wimmers an Bundeskanzler Gerhard Schröder
vom 2.5.2000, abgedruckt und kommentiert in der Tageszeitung
"Junge Welt" am 23./24.6.2001 unter der Überschrift
"Die imperialen Absichten der USA". (hier
Auszüge des Briefs)
1. Hamburger Abendblatt, Donnerstag,
28.6.2001
US-Berater
halfen Albaner-Rebellen
Deutsche
Soldaten nach Mazedonien: Muss der Bundestag seine
Sommerpause unterbrechen?
von
Franz-Josef Hutsch und Cornel Faltin
Skopje
- Auf die amerikanischen Friedenshüter aus dem Kosovo
wartete im benachbarten Mazedonien eine heikle Aufgabe. Zum
einen waren 400 albanische Guerilleros samt Waffen und
Munition aus dem sechs Kilometer nördlich der
Hauptstadt Skopje gelegenen Aracinovo abzutransportieren.
Dort hatte sich zwei Wochen lang die 113. UCK-Brigade
verschanzt und gegen heftige Angriffe verteidigt.
Brisanter
war der zweite Teil der Aufgabe. Unter den abrückenden
Rebellen befanden sich auch 17 "Instrukteure" - frühere
US-Offiziere, die den Rebellen militärischen
Nachhilfeunterricht erteilten. Damit nicht genug:
Mazedonische Sicherheitskreise behaupten, 70 Prozent der
Ausrüstung, die die Guerilleros davonschleppten, seien
US-Fabrikate gewesen - darunter auch modernste
Nachtsichtgeräte der dritten Generation. Dem Pentagon
verschlägt das nicht die Sprache. "Ich will diesen
Sachverhalt nicht bestätigen", betet Sprecher
Oberstleutnant Paul Phillip monoton herunter. Solche
diplomatischen Aussagen gelten US-Journalisten als
Bestätigung. Wäre es so, würde die
mögliche NATO-Operation zur Entwaffnung der Rebellen
vollends zur Farce.
Unklar
ist, wie sich die Bundeswehr an dem Vorhaben beteiligen
wird. Während im Brüsseler NATO-Hauptquartier die
deutsche Beteiligung mit einem 600 Mann starken Kontingent
als sicher gehandelt wird, verweist das
Bundesverteidigungsministerium darauf, dass "bis jetzt keine
offizielle Anfrage der NATO eingegangen ist".
Landet
eine solche Depeche erst einmal in Berlin, dürfte sie
auch positiv beschieden werden. Regierungssprecher
Uwe-Karsten Heye stellte klar, dass die
"Bündnissolidarität selbstverständlich" sei.
Allerdings muss das Parlament über einen Einsatz bei
der Mazedonien-Friedenstruppe entscheiden.
Das
könnte während der am übernächsten
Wochenende beginnenden Sommerpause der Abgeordneten
geschehen. Wilhelm Schmidt, Parlamentarischer
Geschäftsführer der SPD, informierte seine
Kollegen vorsorglich darüber, dass sie "unter
Umständen aus der Pause zurückgeholt werden". Dann
können sich die Abgeordneten auch über jenes
Schiff informieren, das seit zwei Wochen übers Meer
schippert und in den nächsten Tagen am Kai der
griechischen Hafenstadt Thessaloniki festmachen wird. An
Bord: deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard II und
Marder-Schützenpanzer. Laut offizieller Version sollen
sie gegen Panzer ausgetauscht werden, die derzeit im Kosovo
eingesetzt werden. Unklar ist aber, wann diese Panzer ihre
Rückreise antreten sollen.
Zur
Rückkehr in die Heimat forderten inzwischen auch
Washington und London ihre Bürger in Mazedonien auf.
Die US-Botschaft will die meisten ihrer Angestellten
ausfliegen. Und das Berliner Außenministerium warnte
vor Reisen nach Mazedonien.
2. Frankfurter Rundschau:
"Ich
denke, dass wir wieder in etwas
hineinschlittern"
In
Mazedonien droht ein weiterer unseliger NATO-Krieg,
warnen Hermann Scheer (SPD) und Willy Wimmer
(CDU), Interview in der FR am 28.6.2001
Vor
dem Kosovo-Krieg 1998/99 gab es bei SPD und CDU im Bundestag
wenige engagierte Kritiker des Nato-Vorgehens. Zwei von
ihnen warnen nun angesichts der Lage in Mazedonien vor dem
"Hineinschlittern" in einen Krieg. Mit dem früheren
Vizepräsidenten der parlamentarischen Versammlung der
OSZE, Willy Wimmer (CDU), und dem SPD-Vorstandsmitglied
Hermann Scheer, mittlerweile Träger des Alternativen
Nobelpreises, sprachen die FR-Korrespondenten Knut Pries
und Richard Meng.
FR-Frage:
Herr Scheer, Herr Wimmer, erleben wir im Fall Mazedoniens
jetzt wieder einen Prozess, in dem der Bundestag am Ende
vor Entscheidungen steht, deren Konsequenzen er nicht
überblickt?
Scheer:
Über die tatsächlichen Konfliktlagen in
Mazedonien liegen nur unzureichende Informationen vor,
und richtig vergleichbar mit dem Kosovo ist dieser
Konflikt sicher nicht. Aber ich denke, dass wir wieder in
etwas hineinschlittern, weil die nötige politische
Vorarbeit zur Konflikteindämmung unzureichend
war.
FR-Frage:
Ist eine Entwaffnung der albanischen Kämpfer auf
freiwilliger Basis, wie sie von der Nato erwogen wurde,
denn Unsinn?
Wimmer:
Es ist ein Stück aus dem Tollhaus. Denn die
Kfor-Truppe als die tragende Kraft in Kosovo kann man
nicht aus der Verantwortung dafür entlassen, dass
die Albaner in Mazedonien jetzt so viele Waffen haben.
Ich finde es unverantwortlich, das Leben unserer Soldaten
aufs Spiel zu setzen, nachdem wir unserer Verantwortung
nicht gerecht geworden sind. Das unterminiert auf Dauer
das Vertrauen in die internationalen Organisationen.
FR-Frage:
Richtet sich der Vorwurf der mangelnden
Konflikteindämmung auch gegen den deutschen
Bundestag?
Wimmer:
Niemand kann sich aus der Verantwortung stehlen. Aber die
Art, wie es zum Jugoslawienkrieg kam, zeigt auch die
Grenzen unserer Möglichkeiten als Parlamentarier.
Uns wurden damals, um die Eintrittskarte zu diesem Krieg
zu bekommen, Voraussetzungen für unsere
Beschlüsse vorgegaugelt, die es gar nicht gegeben
hat. So zum Beispiel die angebliche Zustimmung aller
Beteiligten zu einem Friedenskonzept bei den
Gesprächen im französischen Rambouillet.
Deswegen bin ich auch jetzt wieder sehr skeptisch, wenn
ich höre, dass die Nato das Einvernehmen aller
Beteiligten zur Voraussetzung für einen Einsatz in
Mazedonien macht.
FR-Frage:
Wirklich einmischen mag sich der Bundestag wieder nicht
...
Scheer:
Der Bundestag hat das Thema Balkan weggedrückt -
seit dem Juni 1999, dem Ende des Kosovo-Kriegs. Das gilt
für andere sicherheitspolitische Fragen auch. Das
Verhältnis zur albanischen UCK ist nie geklärt
worden. Sie durften weitgehend das machen, was sie
wollten. Unter diesem Schirm hat sich eine Eskalation
angebahnt, die niemanden überraschen kann, wenn man
die Ambitionen kennt.
FR-Frage:
Wie weit soll das Parlament sich denn
einschalten?
Wimmer:
Aus der Erfahrung wissen wir, dass es jederzeit und ganz
schnell gefragt sein kann, wenn offiziell über einen
Armeeeinsatz entschieden werden muss. Deshalb ist es doch
ganz klar, dass wir uns viel intensiver damit befassen
müssten.
FR-Frage:
Übernimmt jetzt das Bundesverfassungsgericht wieder
einmal die Rolle des Bundestags, wenn man an die
anhängige PDS-Klage wegen fehlender
Parlamentsbeiteiligung beim neuen Nato-Konzept denkt?
Wimmer:
Es ist die jüngste Tragik dieser Republik, dass
ausgerechnet die PDS dieses Verfahren in Gang gebracht
hat. Aber es ist gut so, dass es überhaupt jemand
gemacht hat. Vor dem Hintergrund der Fragen der
Verfassungsrichter bin ich relativ sicher, dass wir im
Herbst ein Urteil bekommen werden, das sehr hilfreich
sein kann. Danach wird der Bundestag einen Weg finden
müssen, die verdrängten Fragen in die
parlamentarische Verantwortung zurückzuholen. Dass
über den Ladenschluss länger diskutiert wird
als über Krieg und Frieden, kann so nicht bleiben.
FR-Frage:
Mit anderen Worten: Auch Sie bezweifeln, dass die
Bundesregierung sich in der Außenpolitik
verfassungsgemäß verhält?
Wimmer:
Dazu habe ich alles gesagt, was zu sagen war. Jetzt
sollte man das Urteil abwarten.
Scheer:
Es gibt hier wesentliche Fragen, die sich in einer
argumentativen Grauzone bewegen. Zum Beispiel die,
welchen Stellenwert das Nato-Kommunique vom April 1999
hat. Sind das nun Verpflichtungen oder sind es keine? Es
wurde damals gesagt, auch mir gegenüber: Es sind
Verpflichtungen. Gleichzeitig wurde gesagt: Es sind keine
Verpflichtungen. Selbst der frühere Kanzler Helmut
Schmidt schreibt ja, dass die Nato sich längst
außerhalb ihrer vertraglichen Grundlagen bewegt.
Das sind Dinge, die in die parlamentarischen Debatte
gehören. Es gibt eine fatale Neigung, die zentralen
außenpolitischen Fragen nicht mehr zum Bestandteil
des demokratischen Diskurses in und zwischen den Parteien
zu machen.
FR-Frage:
Wie viele Abgeordnete sehen das so wie Sie beide?
Wimmer:
Es sind erheblich mehr geworden. Ich sehe ein neues
Interesse.
Scheer:
Im persönlichen Gespräch höre ich
häufig Unzufriedenheiten heraus. Die große
Frage ist aber, wann die Motivation ausreicht, die Angst
vor einer offenen, kritischen Debatte zu überwinden.
Da heißt es immer: Das schadet. Dabei würde es
unglaublich nützen.
Willy
Wimmer, Mitglied des Bundestages, Vorsitzender des
CDU-Bezirksverbandes Niederrhein,Vizepräsident der
Parlamentarischen Versammlung der OSZE
Herrn
Gerhard Schröder, MdB, Bundeskanzler der Bundesrepublik
Deutschland, Bundeskanzleramt, Schloßplatz 1, 10178
Berlin
Berlin,
den 02.05.00
Sehr
geehrter Herr Bundeskanzler,
am
vergangenen Wochenende hatte ich in der slowakischen
Hauptstadt Brastislava Gelegenheit, an einer gemeinsam
vom US-Außenministerium und American Enterprise
Institut (außenpolitisches Institut der
republikanischen Partei) veranstalteten Konferenz mit den
Schwerpunktthemen Balkan und NATO-Erweiterung
teilzunehmen.
Die
Veranstaltung war sehr hochrangig besetzt, was sich schon
aus der Anwesenheit zahlreicher Ministerpräsidenten
sowie Außen- und Verteidigungsminister aus der
Region ergab. ....
1.
Von Seiten der Veranstalter (US-Außenministerium
und American Enterprise Institute) wurde verlangt, im
Kreise der Alliierten eine möglichst baldige
völkerrechtliche Anerkennung eines unabhängigen
Staates Kosovo vorzunehmen.
2.
Von den Veranstaltern wurde erklärt, daß die
Bundesrepublik Jugoslawien außerhalb jeder
Rechtsordnung, vor allem der Schlußakte von
Helsinki, stehe.
3.
Die europäische Rechtsordnung sei für die
Umsetzung von NATO-Überlegungen hinderlich.
Dafür sei die amerikanische Rechtsordnung auch bei
der Anwendung in Europa geeigneter.
4.
Der Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien sei
geführt worden, um eine Fehlentscheidung von General
Eisenhower aus dem 2. Weltkrieg zu revidieren. Eine
Stationierung von US Soldaten habe aus strategischen
Gründen dort nachgeholt werden müssen.
5.
Die europäischen Verbündeten hätten beim
Krieg gegen Jugoslawien deshalb mitgemacht, um de facto
das Dilemma überwinden zu können, das sich aus
dem im April 1999 verabschiedeten <Neuen Strategischen
Konzept der Allianz und der Neigung der Europäer zu
einem vorherigen Mandat der UN oder OSZE ergeben habe.
6.
Unbeschadet der anschließenden legalistischen
Interpretation der Europäer, nach der es sich bei
dem erweiterten Aufgabenfeld der NATO über das
Vertragsgebiet hinaus bei dem Krieg gegen Jugoslawien um
einen Ausnahmefall gehandelt habe, sei es
selbstverständlich ein Präzedenzfall, auf den
sich jeder jederzeit berufen könne und auch werde.
7.
Es gelte, bei der jetzt anstehenden NATO-Erweiterung die
räumliche Situation zwischen der Ostsee und
Anatolien so wiederherzustellen, wie es in der Hochzeit
der römischen Ausdehnung gewesen sei.
8.
Dazu müsse Polen nach Norden und Süden mit
demokratischen Staaten als Nachbarn umgeben werden,
Rumänien und Bulgarien die Landesverbindung zur
Türkei sicherstellen, Serbien (wohl zwecks
Sicherstellung einer US-Militärpräsenz) auf
Dauer aus der europäischen Entwicklung ausgeklammert
werden.
9.
Nördlich von Polen gelte es, die vollständige
Kontrolle über den Zugang aus St. Petersburg zur
Ostsee zu erhalten.
10.
In jedem Prozeß sei dem Selbstbestimmungsrecht der
Vorrang vor allen anderen Bestimmungen oder Regeln des
Völkerrechts zu geben.
11.
Die Feststellung stieß nicht auf Widerspruch, nach
der die NATO bei dem Angriff gegen die Bundesrepublik
Jugoslawien gegen jede internationale Regel und vor allem
einschlägige Bestimmungen des Völkerrechts
verstoßen habe.
Die
amerikanische Seite scheint im globalen Kontext und zur
Durchsetzung ihrer Ziele bewußt und gewollt die als
Ergebnis von zwei Kriegen im letzten Jahrhundert
entwickelte internationale Rechtsordnung aushebeln zu
wollen. Macht soll Recht vorgehen. Wo internationales
Recht im Wege steht, wird es beseitigt. Als eine
ähnliche Entwicklung den Völkerbund traf, war
der 2. Weltkrieg nicht mehr fern. Ein Denken, das die
eigenen Interessen so absolut sieht, kann nur
totalitär genannt werden.
Mit
freundlichen Grüßen
Willy
Wimmer
Weitere Quellen:
-
Jan Oberg, Mazedonien und der internationale Anteil am
Konflikt, in: Wissenschaft und Frieden, 3/2001, Juli 2001,
S.5+6, hg. von Wissenschaft und Frieden e.V.,Reuterstr. 44,
53113 Bonn, Fax: 0228-214924
-
Streitkräfte und Strategien, Sendung des NDR am
24.3.2001, NDR Redaktion Sicherheitspolitik,
Rothenbaumchaussee 132-134, 20149 Hamburg, Fax:
040-447602
-
Makedonien und Großkosovo. Die Politik der UCK bedroht
die bestehenden Grenzen, Autor: Christophe Chiclet, Le Monde
Diplomatique, (taz-Beilage), April 2001, S. 8
-
Mazedonien zwischen Konflikteskalation und
Gewaltprävention: "Irgendwann wird Krieg sein",
4-seitiges Informationsblatt, hg. von der Kurve Wustrow,
Kirchstr.14, 29462 Wustow, Fax: 05843-987111
-
Clemens Ronnefeldt, Die Neue NATO, Irak und Jugoslawien, mit
einem Vorwort von Prof. Dieter S. Lutz, Minden 2001, 195 S.,
15.- DM + 3.- DM Porto, Herausgeber und Bestelladresse:
Internationaler Versöhnungsbund, Ringstr. 9a, 32427
Minden, Fax: 0571-8292387, e-mail: geschaeftsstelle@versoehnungsbund.de
Homepage: www.versoehnungsbund.de
siehe
auch: Washington
hinter den terroristischen Anschlägen in
Mazedonien,
von Michel Chossudovsky [23. Juli
2001]
Emanzipation
Humanum,
Version 7. 01, Kritik, Anregungen zu Form und Inhalt, Dialog
sowie unveränderter Nachdruck bei Quellenangabe und
Belegexemplar erwünscht. Übersetzung in andere
Sprachen erwünscht. Kürzungen und Änderungen
nach Absprache möglich.
http://emanzipationhumanum.de/deutsch/macedon1.html
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