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Wenn ein Bundeswehreinsatz innerhalb der NATO mit der Notwendigkeit der Entwaffnung von Rebellen begründet wird, die allerdings seitens der USA personell wie materiell unterstützt werden, dann kann diese Begründung nicht ehrlich gemeint sein - Das Schlimme ist, daß unser Rechtssystem bereits derart verkommen ist, daß selbst offensichtliche Lügen der Politiker, Intrigen der Interessensgruppen und Manipulationen der öffentlichen Meinung folgenlos zu bleiben scheinen.

 

Der Krieg auf dem Balkan und seine Hintergründe

- Mazedonien -

 

wieder wird ein Bürgerkrieg auf dem Balkan, diesmal in Mazedonien, von der NATO und ihrer Führungsmacht USA für sehr viel weitreichendere Ziele instrumentalisiert.

Wieder wird die Öffentlichkeit getäuscht und belogen - und die meisten Medien scheinen aus dem letzten Krieg 1999 kaum etwas gelernt zu haben.

Die USA versorgen sowohl die UCK (vgl. Hamburger Abendblatt, 28.6.01) als auch die mazedonische Regierung (vgl. "Der Spiegel, 14.5.01, S. 160) mit Waffen und werden nicht müde, ständig neues Öl ins Feuer zu gießen.

In der Öffentlichkeit dagegen wird nach wie vor der Eindruck erweckt, Aufgabe der NATO sei die Entwaffnung der UCK.

In der Sendung "Streitkräfte und Strategien" des NDR 4 am 24.3.2001 wurde bereits darauf hingewiesen, dass in den Ausbildungslagern in Albanien britische und amerikanische Spezialisten den Ton angeben sollen. Weiterhin verwies die Sendung darauf, dass die NATO wie auch bereits 1999 so auch im Falle Mazedonien nicht bereit ist, Russland einzubinden.

Die Entscheidung der US-Regierung, die strategische Partnerschaft mit Russland aufzukündigen, einseitig an einem Raketenabwehrschirm zu bauen und 50 russische Diplomaten aus den USA auszuweisen, könne durchaus mit dem Krieg in Mazedonien in Verbindung gebracht werden: Dort wäre ein neuer Stellvertreterkrieg zwischen den so verschiedenen Rivalen vorstellbar. Die mazedonische Regierung erhält ihre Waffen vornehmlich aus Russland, der Ukraine und Bulgarien. Zu den Leittragenden dieser Politik gehörten - neben und vor allem den Menschen vor Ort - auch diesmal wieder die NATO-Europäer.

Während möglicherweise der Bundestag in Kürze zu einer Sondersitzung über einen erneuten Kriegseintritt der Bundeswehr zusammenkommen und beraten wird, ist bereits jetzt schon ein Schiff mit Leopard II-Panzern und Marderschützenpanzern nach Thessaloniki unterwegs. Ob seine Ware für Kosovo oder für Mazedonien bestimmt ist, lässt sich derzeit nicht mit Gewissheit sagen. Sollten die Panzer für Mazedonien bestimmt sein, wäre dies ein Hintergehen des Parlamentes.

Weiterhin ist nicht auszuschließen, dass ein Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien als Argumentationsgrundlage dienen könnte, der Bundeswehr neue Milliardenbeträge zu genehmigen.

Der Friedensbewegung und auch der Friedensforschung ist es beim Kosovo-/ Jugoslawienkrieg nicht gelungen, der massiven Kriegspropaganda genügend Aufklärung entgegen zu setzen und damit die öffentliche Zustimmung zum Krieg zu verhindern. Wer relevante Hintergründe wissen möchte, könnte sich diese auch diesmal wieder vorher besorgen.

Was - bei vielen Parallelen zum Kosovo-/Jugoslawienkrieg - diesmal sich erheblich unterscheidet, ist die Meinung der Bundestagsabgeordneten zu einem erneuten Militäreinsatz ohne UN-Mandat in Mazedonien. In allen Fraktionen gibt es Wider- stände gegen einen weiteren Einsatz - aus sehr unterschiedlichen Motiven.

Diese Tatsache gilt es zu nutzen, um Abgeordnete über Hintergründe zu informieren, die ihnen möglicherweise auch diesmal wieder die Regierung verschweigt. Diesem Anliegen der Aufklärung und der Forderung nach einem Verzicht auf einen erneuten Militäreinsatz dient der nachfolgende Brief an Bundestagsabgeordnete, den Prof. Dr. Andreas Buro für das Komitee für Grundrechte und Demokratie, Mani Stenner für die AG out-of-area im Netzwerk Friedenskooperative und ich für den deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes gemeinsam als erste unterzeichnet haben.

Die NATO hat jede Glaubwürdigkeit als "neutrale" Partei zur Krisenbewältigung verloren. Eine Einbindung der UN, deren UNPREDEP-Mission über Intrigen wie die Anerkennung Taiwans durch Mazedonien gegen Geld und die daraufhin erfolgte Nichtverlängerung des UN-Mandats durch China im UN-Sicherheitsrat aus Mazedonien befördert wurde und damit Platz für die NATO schuf, ist ebenso notwendig wie die Stärkung der am Boden liegenden OSZE.

Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des internationalen Versöhnungsbundes


Brief vom 7.2001: An N.N., MdB, Deutscher Bundestag, Platz der Republik, 11011 Berlin

Betrifft: Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien

Sehr geehrte N.N.

ich fordere Sie auf, im Bundestag gegen jede Ermächtigungsvorlage der Bundesregierung für einen möglichen Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien zu stimmen.

In Mazedonien drohen die bisherigen Kämpfe, sich zu einem Bürgerkrieg auszuweiten. Die NATO und mit ihr die Bundeswehr sollen nach dem Willen von Bundeskanzler und Außenminister eingreifen können. Angeblich geht es nur um das Einsammeln von Waffen der Guerilla innerhalb von 30 Tagen auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen der Regierung Mazedoniens und den albanischen UCK-Freischärlern. Eine solche Vereinbarung ist jedoch nicht in Sicht. Die albanische Seite strebt eine dauerhafte Stationierung von NATO-Truppen an, während Mazedoniens Regierung die Entwaffnung der Guerilla und dann einen schnellen Abzug der NATO wünscht. Währenddessen wachsen die Feindseligkeiten auf beiden Seiten. Zu befürchten ist, dass sich der Konflikt nicht beherrschen läßt und aus dem Einsammeln von Waffen ein Kampf mit Waffen wird, der zu einem weiteren NATO-Protektorat auf dem Balkan mit unabsehbaren Konsequenzen und Kosten führen kann.

Als Konfliktschlichter ist die NATO nicht geeignet. Sie ist in Mazedonien nicht vertrauenswürdig, da sie die kosovo-albanische UCK unterstützte, sie nicht wirksam entwaffnete und trotz KFOR-Präsenz deren grenzüberschreitenden Aktionen nach Serbien und Mazedonien nicht verhinderte. Sie ist aber auch nicht sehr vertrauenswürdig, da sie einerseits mit dem Krieg gegen Jugoslawien das Land enorm belastete, es jedoch niemals angemessen entschädigte. Die gegenwärtige desolate Situation in Mazedonien ist mit dieser Tatsache eng verbunden. Darüber hinaus ist mehr als fraglich, ob die EU-Staaten und die USA innerhalb der NATO überhaupt die gleichen Ziele verfolgen.

Jüngst wurde bekannt, dass sich unter den aus Aracinovo abziehenden UCK-Rebellen 17 frühere US-Offiziere als Instrukteure befanden und die Ausrüstung, einschließlich modernster Nachtsichtgeräte der dritten Generation, zu einem erheblichen Teil aus amerikanischen Beständen stammen.

Das muß doch der Bundesregierung bekannt sein. Sollen die, die das Öl ins Feuer gießen, nun als Friedensstifter wirken?

Für die Konfliktschlichtung in Mazedonien muß vor allem eine politische Lösung gefunden werden. Hierfür sind die Vereinten Nationen zuständig - bei Erfolg auch für das Einsammeln von Gewehren. Der Weltsicherheitsrat muß der UNO und ihrer Regionalorganisation in Europa, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit, OSZE, sogleich einen entsprechenden Auftrag erteilen und die dafür erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen. So würde auch Rußland in die Verantwortung für eine friedliche Lösung des Konflikts eingebunden.

Ferner würde einer weiteren Militarisierung von Außenpolitik vorgebeugt werden. Kriegsfördernde Vorratsbeschlüsse wie im Oktober 1998 sollte sich ein selbstbewusstes und verantwortliches Parlament nicht mehr leisten.

Ich bitte Sie, sich als Mitglied des Deutschen Bundestags gegen eine deutsche militärische Beteiligung in Mazedonien und für eine Einbeziehung der UNO in die Konfliktvermittlung auszusprechen und mit diesem Ziel deutsche Außenpolitik in die Pflicht zu nehmen.

Mit freundlichen Grüßen


Hintergrund-Informationsmaterial bieten u.a. die nachfolgend aufgeführten Artikel:

1. Hamburger Abendblatt: "US-Berater halfen Albaner-Rebellen", 28.6.2001

2. Frankfurter Rundschau: "Ich denke, dass wir wieder in etwas hineinschlittern", In Mazedonien droht ein weiterer unseliger NATO-Krieg, warnen Hermann Scheer (SPD) und Willy Wimmer (CDU), 28.6.2001

3. Brief Willy Wimmers an Bundeskanzler Gerhard Schröder vom 2.5.2000, abgedruckt und kommentiert in der Tageszeitung "Junge Welt" am 23./24.6.2001 unter der Überschrift "Die imperialen Absichten der USA". (hier Auszüge des Briefs)


1. Hamburger Abendblatt, Donnerstag, 28.6.2001

US-Berater halfen Albaner-Rebellen

Deutsche Soldaten nach Mazedonien: Muss der Bundestag seine Sommerpause unterbrechen?

von Franz-Josef Hutsch und Cornel Faltin

Skopje - Auf die amerikanischen Friedenshüter aus dem Kosovo wartete im benachbarten Mazedonien eine heikle Aufgabe. Zum einen waren 400 albanische Guerilleros samt Waffen und Munition aus dem sechs Kilometer nördlich der Hauptstadt Skopje gelegenen Aracinovo abzutransportieren. Dort hatte sich zwei Wochen lang die 113. UCK-Brigade verschanzt und gegen heftige Angriffe verteidigt.

Brisanter war der zweite Teil der Aufgabe. Unter den abrückenden Rebellen befanden sich auch 17 "Instrukteure" - frühere US-Offiziere, die den Rebellen militärischen Nachhilfeunterricht erteilten. Damit nicht genug: Mazedonische Sicherheitskreise behaupten, 70 Prozent der Ausrüstung, die die Guerilleros davonschleppten, seien US-Fabrikate gewesen - darunter auch modernste Nachtsichtgeräte der dritten Generation. Dem Pentagon verschlägt das nicht die Sprache. "Ich will diesen Sachverhalt nicht bestätigen", betet Sprecher Oberstleutnant Paul Phillip monoton herunter. Solche diplomatischen Aussagen gelten US-Journalisten als Bestätigung. Wäre es so, würde die mögliche NATO-Operation zur Entwaffnung der Rebellen vollends zur Farce.

Unklar ist, wie sich die Bundeswehr an dem Vorhaben beteiligen wird. Während im Brüsseler NATO-Hauptquartier die deutsche Beteiligung mit einem 600 Mann starken Kontingent als sicher gehandelt wird, verweist das Bundesverteidigungsministerium darauf, dass "bis jetzt keine offizielle Anfrage der NATO eingegangen ist".

Landet eine solche Depeche erst einmal in Berlin, dürfte sie auch positiv beschieden werden. Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye stellte klar, dass die "Bündnissolidarität selbstverständlich" sei. Allerdings muss das Parlament über einen Einsatz bei der Mazedonien-Friedenstruppe entscheiden.

Das könnte während der am übernächsten Wochenende beginnenden Sommerpause der Abgeordneten geschehen. Wilhelm Schmidt, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD, informierte seine Kollegen vorsorglich darüber, dass sie "unter Umständen aus der Pause zurückgeholt werden". Dann können sich die Abgeordneten auch über jenes Schiff informieren, das seit zwei Wochen übers Meer schippert und in den nächsten Tagen am Kai der griechischen Hafenstadt Thessaloniki festmachen wird. An Bord: deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard II und Marder-Schützenpanzer. Laut offizieller Version sollen sie gegen Panzer ausgetauscht werden, die derzeit im Kosovo eingesetzt werden. Unklar ist aber, wann diese Panzer ihre Rückreise antreten sollen.

Zur Rückkehr in die Heimat forderten inzwischen auch Washington und London ihre Bürger in Mazedonien auf. Die US-Botschaft will die meisten ihrer Angestellten ausfliegen. Und das Berliner Außenministerium warnte vor Reisen nach Mazedonien.


2. Frankfurter Rundschau:

"Ich denke, dass wir wieder in etwas hineinschlittern"

In Mazedonien droht ein weiterer unseliger NATO-Krieg, warnen Hermann Scheer (SPD) und Willy Wimmer (CDU), Interview in der FR am 28.6.2001

Vor dem Kosovo-Krieg 1998/99 gab es bei SPD und CDU im Bundestag wenige engagierte Kritiker des Nato-Vorgehens. Zwei von ihnen warnen nun angesichts der Lage in Mazedonien vor dem "Hineinschlittern" in einen Krieg. Mit dem früheren Vizepräsidenten der parlamentarischen Versammlung der OSZE, Willy Wimmer (CDU), und dem SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer, mittlerweile Träger des Alternativen Nobelpreises, sprachen die FR-Korrespondenten Knut Pries und Richard Meng.

FR-Frage: Herr Scheer, Herr Wimmer, erleben wir im Fall Mazedoniens jetzt wieder einen Prozess, in dem der Bundestag am Ende vor Entscheidungen steht, deren Konsequenzen er nicht überblickt?

Scheer: Über die tatsächlichen Konfliktlagen in Mazedonien liegen nur unzureichende Informationen vor, und richtig vergleichbar mit dem Kosovo ist dieser Konflikt sicher nicht. Aber ich denke, dass wir wieder in etwas hineinschlittern, weil die nötige politische Vorarbeit zur Konflikteindämmung unzureichend war.

FR-Frage: Ist eine Entwaffnung der albanischen Kämpfer auf freiwilliger Basis, wie sie von der Nato erwogen wurde, denn Unsinn?

Wimmer: Es ist ein Stück aus dem Tollhaus. Denn die Kfor-Truppe als die tragende Kraft in Kosovo kann man nicht aus der Verantwortung dafür entlassen, dass die Albaner in Mazedonien jetzt so viele Waffen haben. Ich finde es unverantwortlich, das Leben unserer Soldaten aufs Spiel zu setzen, nachdem wir unserer Verantwortung nicht gerecht geworden sind. Das unterminiert auf Dauer das Vertrauen in die internationalen Organisationen.

FR-Frage: Richtet sich der Vorwurf der mangelnden Konflikteindämmung auch gegen den deutschen Bundestag?

Wimmer: Niemand kann sich aus der Verantwortung stehlen. Aber die Art, wie es zum Jugoslawienkrieg kam, zeigt auch die Grenzen unserer Möglichkeiten als Parlamentarier. Uns wurden damals, um die Eintrittskarte zu diesem Krieg zu bekommen, Voraussetzungen für unsere Beschlüsse vorgegaugelt, die es gar nicht gegeben hat. So zum Beispiel die angebliche Zustimmung aller Beteiligten zu einem Friedenskonzept bei den Gesprächen im französischen Rambouillet. Deswegen bin ich auch jetzt wieder sehr skeptisch, wenn ich höre, dass die Nato das Einvernehmen aller Beteiligten zur Voraussetzung für einen Einsatz in Mazedonien macht.

FR-Frage: Wirklich einmischen mag sich der Bundestag wieder nicht ...

Scheer: Der Bundestag hat das Thema Balkan weggedrückt - seit dem Juni 1999, dem Ende des Kosovo-Kriegs. Das gilt für andere sicherheitspolitische Fragen auch. Das Verhältnis zur albanischen UCK ist nie geklärt worden. Sie durften weitgehend das machen, was sie wollten. Unter diesem Schirm hat sich eine Eskalation angebahnt, die niemanden überraschen kann, wenn man die Ambitionen kennt.

FR-Frage: Wie weit soll das Parlament sich denn einschalten?

Wimmer: Aus der Erfahrung wissen wir, dass es jederzeit und ganz schnell gefragt sein kann, wenn offiziell über einen Armeeeinsatz entschieden werden muss. Deshalb ist es doch ganz klar, dass wir uns viel intensiver damit befassen müssten.

FR-Frage: Übernimmt jetzt das Bundesverfassungsgericht wieder einmal die Rolle des Bundestags, wenn man an die anhängige PDS-Klage wegen fehlender Parlamentsbeiteiligung beim neuen Nato-Konzept denkt?

Wimmer: Es ist die jüngste Tragik dieser Republik, dass ausgerechnet die PDS dieses Verfahren in Gang gebracht hat. Aber es ist gut so, dass es überhaupt jemand gemacht hat. Vor dem Hintergrund der Fragen der Verfassungsrichter bin ich relativ sicher, dass wir im Herbst ein Urteil bekommen werden, das sehr hilfreich sein kann. Danach wird der Bundestag einen Weg finden müssen, die verdrängten Fragen in die parlamentarische Verantwortung zurückzuholen. Dass über den Ladenschluss länger diskutiert wird als über Krieg und Frieden, kann so nicht bleiben.

FR-Frage: Mit anderen Worten: Auch Sie bezweifeln, dass die Bundesregierung sich in der Außenpolitik verfassungsgemäß verhält?

Wimmer: Dazu habe ich alles gesagt, was zu sagen war. Jetzt sollte man das Urteil abwarten.

Scheer: Es gibt hier wesentliche Fragen, die sich in einer argumentativen Grauzone bewegen. Zum Beispiel die, welchen Stellenwert das Nato-Kommunique vom April 1999 hat. Sind das nun Verpflichtungen oder sind es keine? Es wurde damals gesagt, auch mir gegenüber: Es sind Verpflichtungen. Gleichzeitig wurde gesagt: Es sind keine Verpflichtungen. Selbst der frühere Kanzler Helmut Schmidt schreibt ja, dass die Nato sich längst außerhalb ihrer vertraglichen Grundlagen bewegt. Das sind Dinge, die in die parlamentarischen Debatte gehören. Es gibt eine fatale Neigung, die zentralen außenpolitischen Fragen nicht mehr zum Bestandteil des demokratischen Diskurses in und zwischen den Parteien zu machen.

FR-Frage: Wie viele Abgeordnete sehen das so wie Sie beide?

Wimmer: Es sind erheblich mehr geworden. Ich sehe ein neues Interesse.

Scheer: Im persönlichen Gespräch höre ich häufig Unzufriedenheiten heraus. Die große Frage ist aber, wann die Motivation ausreicht, die Angst vor einer offenen, kritischen Debatte zu überwinden. Da heißt es immer: Das schadet. Dabei würde es unglaublich nützen.


Willy Wimmer, Mitglied des Bundestages, Vorsitzender des CDU-Bezirksverbandes Niederrhein,Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE

Herrn Gerhard Schröder, MdB, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Bundeskanzleramt, Schloßplatz 1, 10178 Berlin

Berlin, den 02.05.00

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

am vergangenen Wochenende hatte ich in der slowakischen Hauptstadt Brastislava Gelegenheit, an einer gemeinsam vom US-Außenministerium und American Enterprise Institut (außenpolitisches Institut der republikanischen Partei) veranstalteten Konferenz mit den Schwerpunktthemen Balkan und NATO-Erweiterung teilzunehmen.

Die Veranstaltung war sehr hochrangig besetzt, was sich schon aus der Anwesenheit zahlreicher Ministerpräsidenten sowie Außen- und Verteidigungsminister aus der Region ergab. ....

1. Von Seiten der Veranstalter (US-Außenministerium und American Enterprise Institute) wurde verlangt, im Kreise der Alliierten eine möglichst baldige völkerrechtliche Anerkennung eines unabhängigen Staates Kosovo vorzunehmen.

2. Von den Veranstaltern wurde erklärt, daß die Bundesrepublik Jugoslawien außerhalb jeder Rechtsordnung, vor allem der Schlußakte von Helsinki, stehe.

3. Die europäische Rechtsordnung sei für die Umsetzung von NATO-Überlegungen hinderlich. Dafür sei die amerikanische Rechtsordnung auch bei der Anwendung in Europa geeigneter.

4. Der Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien sei geführt worden, um eine Fehlentscheidung von General Eisenhower aus dem 2. Weltkrieg zu revidieren. Eine Stationierung von US Soldaten habe aus strategischen Gründen dort nachgeholt werden müssen.

5. Die europäischen Verbündeten hätten beim Krieg gegen Jugoslawien deshalb mitgemacht, um de facto das Dilemma überwinden zu können, das sich aus dem im April 1999 verabschiedeten <Neuen Strategischen Konzept der Allianz und der Neigung der Europäer zu einem vorherigen Mandat der UN oder OSZE ergeben habe.

6. Unbeschadet der anschließenden legalistischen Interpretation der Europäer, nach der es sich bei dem erweiterten Aufgabenfeld der NATO über das Vertragsgebiet hinaus bei dem Krieg gegen Jugoslawien um einen Ausnahmefall gehandelt habe, sei es selbstverständlich ein Präzedenzfall, auf den sich jeder jederzeit berufen könne und auch werde.

7. Es gelte, bei der jetzt anstehenden NATO-Erweiterung die räumliche Situation zwischen der Ostsee und Anatolien so wiederherzustellen, wie es in der Hochzeit der römischen Ausdehnung gewesen sei.

8. Dazu müsse Polen nach Norden und Süden mit demokratischen Staaten als Nachbarn umgeben werden, Rumänien und Bulgarien die Landesverbindung zur Türkei sicherstellen, Serbien (wohl zwecks Sicherstellung einer US-Militärpräsenz) auf Dauer aus der europäischen Entwicklung ausgeklammert werden.

9. Nördlich von Polen gelte es, die vollständige Kontrolle über den Zugang aus St. Petersburg zur Ostsee zu erhalten.

10. In jedem Prozeß sei dem Selbstbestimmungsrecht der Vorrang vor allen anderen Bestimmungen oder Regeln des Völkerrechts zu geben.

11. Die Feststellung stieß nicht auf Widerspruch, nach der die NATO bei dem Angriff gegen die Bundesrepublik Jugoslawien gegen jede internationale Regel und vor allem einschlägige Bestimmungen des Völkerrechts verstoßen habe.

Die amerikanische Seite scheint im globalen Kontext und zur Durchsetzung ihrer Ziele bewußt und gewollt die als Ergebnis von zwei Kriegen im letzten Jahrhundert entwickelte internationale Rechtsordnung aushebeln zu wollen. Macht soll Recht vorgehen. Wo internationales Recht im Wege steht, wird es beseitigt. Als eine ähnliche Entwicklung den Völkerbund traf, war der 2. Weltkrieg nicht mehr fern. Ein Denken, das die eigenen Interessen so absolut sieht, kann nur totalitär genannt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Willy Wimmer


Weitere Quellen:

- Jan Oberg, Mazedonien und der internationale Anteil am Konflikt, in: Wissenschaft und Frieden, 3/2001, Juli 2001, S.5+6, hg. von Wissenschaft und Frieden e.V.,Reuterstr. 44, 53113 Bonn, Fax: 0228-214924

- Streitkräfte und Strategien, Sendung des NDR am 24.3.2001, NDR Redaktion Sicherheitspolitik, Rothenbaumchaussee 132-134, 20149 Hamburg, Fax: 040-447602

- Makedonien und Großkosovo. Die Politik der UCK bedroht die bestehenden Grenzen, Autor: Christophe Chiclet, Le Monde Diplomatique, (taz-Beilage), April 2001, S. 8

- Mazedonien zwischen Konflikteskalation und Gewaltprävention: "Irgendwann wird Krieg sein", 4-seitiges Informationsblatt, hg. von der Kurve Wustrow, Kirchstr.14, 29462 Wustow, Fax: 05843-987111

- Clemens Ronnefeldt, Die Neue NATO, Irak und Jugoslawien, mit einem Vorwort von Prof. Dieter S. Lutz, Minden 2001, 195 S., 15.- DM + 3.- DM Porto, Herausgeber und Bestelladresse: Internationaler Versöhnungsbund, Ringstr. 9a, 32427 Minden, Fax: 0571-8292387, e-mail: geschaeftsstelle@versoehnungsbund.de Homepage: www.versoehnungsbund.de

 

siehe auch: Washington hinter den terroristischen Anschlägen in Mazedonien, von Michel Chossudovsky [23. Juli 2001]

 

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