Wer
seine Lage erkannt hat, wer sollte da aufzuhalten sein
:
...
Auf nach Evian gegen den G8-Gipfel
Informationen
zur Mobilisierung gegen den auf 21 Mitgliedsstaaten
erweiterten Gipfel in Evian vom 1.- 3. Juni 2003.
Der
G8-Gipfel ist eine von vielen Einrichtungen, welche die
kapitalistische, patriarchalische und rassistische
Unterdrückung auf globaler Ebene festigen sollen. Von
dieser Erkenntnis geleitet, hat das Völkchen von
Seattle und Porto Alegre immer wieder dafür gesorgt,
dass während der Gipfeltreffen der Staatschefs der
reichsten Staaten, die Forderungen von Milliarden Menschen
aller Kontinente in der Welt zu hören waren. Es sind
die Forderungen einer großen Mehrheit der
Weltbevölkerung, die hungert, unter Armut,
Unterentwicklung und Kriegen leidet, damit die reichen
Staaten, die wirtschaftlich und politisch Mächtigen,
ihr skrupelloses und verbrecherisches System der Ausbeutung
, der Unterdrückung und des Krieges aufrecht erhalten
können. Sie nehmen dabei auch nicht mehr Rücksicht
auf ihre eigenen Sklaven, die sie noch in Zeiten des Kalten
Krieges mit Geschenken bedachten. Jetzt wird auch in den
Industriestaaten die Kluft zwischen Arm und reich immer
deutlicher. Arbeitslosenzahlen, die Marken zu Beginn des
tausendjährigen Reiches erreicht haben,
Obdachlosigkeit, soziale Ausgrenzung und Armut von Millionen
Menschen.
Wer
sich wehrt, bekommt die Folgen jahrzehntelangen Abbaus
demokratischer Rechte und der effizienten
Repressions?mechanismen des Staates zu spüren. Das
letzte Beispiel Genua und der Mord an Carlo Giuliani zeigte,
dass die Reichen auch auf Methoden aus der Rumpelkammer des
Faschismus und Naziterrors zurückgreifen, wenn es um
Unterdrückung von Meinungs- und Versammlungsfreiheit
geht. Auf einem Luxusschiff im Genueser Hafen versammelte
sich eine politische Kaste, die längst schon jegliches
Gespür für die Realitäten der Welt verloren
hat. An Bord wurde das System der Ausbeutung gefeiert und
draußen wütete, prügelte und schoss ihre
Soldateska wie zu Zeiten der braunen Horden. Grundrechte und
Gesetz wurden gebeugt und der Gerechtigkeit wieder einmal
die Totenglocken geläutet.
Doch
die Unterdrückten, die Arbeitssklaven und die Verarmten
beginnen sich zu wehren. Jährlich wächst das Heer,
das seine Stimme unüberhörbar hat werden lassen.
Das wird auch in Evian so sein und auch nicht durch den
paranoiden Sicherheitswahn und das Polizeistaatsklima von
Seiten französischer und schweizer Staatsorgane
verhindert werden können. Die Bewegung ist sich ihrer
Kraft bewusst: Ihr seid 8 wir sind Milliarden.
Das
politische Panomara des Gipfels
Seit
dem Februar dieses Jahres, haben die schweizer Behörden
mit der Realisierung eines umfangreichen
Sicherheits?programmes für den Gipfel der
kapitalistischen Feudalherren, die sich ansonsten in den
modernen luxuriösen Burgen der kapitalistischen
Metropole verschanzt haben, begonnen. Gezielt verbreiteten
sie, mit Hilfe ihrer Hofpresse, Desinformation und Angst
unter der Bevölkerung, die wie schon im Falle Genua auf
eine Gegenmobilisierung hofft und das ungerechtfertigte
Polizeiaufgebot und seine hohen Kosten rechtfertigen soll.
Wie in Genua wurde wieder einmal auf den Ausnahmezustand
vorbereitet. Die Sicherheit lassen sich die
europäischen Staatschefs 37,6 Millionen Schweizer
Franken kosten, das sind umgerechnet 27 Millionen Euro,
genug Geld, um die Finanznöte von Eichel, zumindest im
Augenblick zu lindern. Genug Geld, um hunderttausende
Menschen in der Welt vor dem drohenden Hungertod zu retten.
Genug Geld, um Arbeitslosen und Armen, Arbeit und Einkommen
zu verschaffen. Letzten Informationen zu Folge werden etwa
5000 Polizisten und 6500 Soldaten der schweizer Armee im
Einsatz sein. Die Teilnahme des Gangsters Bush liefert den
Vorwand, ganze Teile der Stadt Genf abzuriegeln.
Während
sich die Regierungen militärisch effektiv auf das
Ereignis vorbereiten, sind sie auf der Verhandlungsebene
weniger disponibel. Die Verhandlungen mit Vertretern der
Bewegung verlaufen schleppend und konkrete Ergebnisse bei
den Treffen mit Vertretern von Polizei und staatlichen
Institutionen wurden bisher nicht erreicht. Sie weigern sich
über ihren Aktionsplan, u.a. die Grenzen der
Sicherheitszonen zu sprechen. Bisher akzeptieren sie nur die
Idee, von beiden Seiten autorisierte Beobachter zuzulassen
(ohne Definition der Örtlichkeiten), die Errichtung des
Village intergallactique und die Demonstrationen sind bis
jetzt noch genehmigt.
In
Genf hat das Sozial nach der Polizeigewalt am Ende einer
Demonstration gegen die OMC, am 29. März, jegliche
Diskussion mit der Polizei unterbrochen. Das Sozial verlangt
direkt mit der Stadtregierung von Genf verhandeln zu
können. Der Versuch, die Demonstration am 1. Juni
zwischen Genf und Annemasse wegen der Ankunft von Bush zu
verbieten, ist vorerst gescheitert. Jedoch ändert sich
die Situation von Tag zu Tag. Aktuelle Nachrichten
darüber bei: http://www.evian-g8.org/.
Die
G8/21 werden vom 1. - 3. Juni in Evian auf der
französischen Seite des Genfer See ihre Versammlung
abhalten. Ein Perimeter der Sicherheit von 10 km um die
Stadt Evian verwandelt die Region in eine undurchdringliche,
militärische Zone: allein 150 000 Polizisten sind auf
der französischen Seite aufgeboten. Über 10 000
höhere Kader des Kapitals, werden den inhaltlichen
Ablauf des Gipfels mittragen. Dazu gehören auch
Techniker, Hofberichterstatter, Dolmetscherinnen,
Fachberater. Sie sind mit den Ministern der
G8-Vasallenstaaten und ihrem Gefolge in einem Umkreis von 40
km untergebracht. Die großen, feinen Hotels am Genfer
See werden sich sich diese Tage eines Millionenumsatzes
erfreuen. Der größte Teil des G8 Gefolges wird
zwischen Lausanne und Evian per Schiff pendeln und
Häfen und Hotels sind hermetisch bewacht. Allein in
Genf wurden 2000 Hotelzimmer in 5 Sternehotels vorbestellt.
Die Konstellation dieses Massenaufgebots an Spitzenkadern
bedingt auch die Verteilung des Protests auf mehrere
Städte: Evian, Annemasse, Lousanne, Montreux. In
Lausanne beispielsweise haben sich viele Vertreter des neuen
Kolonialismus in Afrika, der NEPAD angesagt. Dennoch ist
gerade die Verteilung des Gefolges eine Chance, den Protest
auf eine wirksame Störung des Gipfels
auszurichten.
Widerstand
und Aktionen
Da
der Widerstand gegen den G8-Gipfel von verschiedenen
Regionen und Städten aus getragen wird, haben sich zu
diesem Zwecke zahlreiche lokale Komitees und Kollektive
gebildet, die eine große Anzahl der Bewegungen gegen
den G8 repräsentieren. Eine Konferenz zur Koordinierung
der verschiedenen europäische Bewegungen hat am 1. und
2. März 2003 in Genf stattgefunden. Dort wurde auch
eine große und breite Demonstration von Genf nach
Annemasse beschlossen. Vorgesehen ist auch eine Aktion
Feuer am See", die am Samstagabend, um den ganzen See
herum, eine Lichterkette zustande bringen soll.
Lausanne
In
Lausanne wird am 29. Mai die erste Demonstration
stattfinden. Sie beginnt um 18 Uhr an der Place Chauderon,
wird sich zum Zentrum der Stadt bewegen, und auf die Art und
Weise der sozialen und politischen Bewegungen den G8 ihren
Willkommensgruß ausrichten.
Blockaktionen
Blockaktionen
werden in der gesamten lemanischen Region stattfinden. In
Lousanne beteiligen sich verschiedene militante und
alternative Gruppen der extremen Linken und auch einige
Politiker der linken Liste. Die Sozialistische Partei hat
sich von den Aktionen durch ein Pressekommuniquè
distanziert. Der Plan der Blockaktionen ist es, die rote
Zone zu umkreisen, ohne zu versuchen, in sie einzudringen.
Alternativ soll eine Zone des Lebens und Feierns um diese
Räume der Rechtlosigkeit geschaffen werden. Zur
Anwendung soll die sogenannte Schneckenhaustheorie"
kommen: zurück?weichen, wenn die Polizeikräfte
vorrücken und vorrücken, wenn sie sich
zurückziehen. Es soll versucht werden, die Verbindungen
zu unterbrechen oder zumindest die
Bewegungsmöglichkeiten der G21-Fürsten zu
behindern.
Die
Feuer am See
In
der französischen Schweiz, heißt es um den Genfer
See herum Der See brennt aber noch nicht!". Es ist ein
Sprichwort der Bauern, um auszudrücken, dass keine Eile
geboten ist. Deshalb soll mit den Feuern am See"
deutlich gemacht werden, dass es nun dringlich ist, den
kapitalistischen, sexistischen und kriegerischen
Raub?zügen der Fürsten der Welt Einhalt zu
gebieten. Am 31. Mai 2003 werden deshalb um 21 Uhr 30 die
Feuer der Insurrektion am See angezündet werden. Die 8
Raubritter und ihr Gefolge sollen die Größe der
Bewegung zu sehen bekommen und feststellen, dass sie bereit
ist, die Herausforderung anzunehmen gegen die Welt zu
kämpfen, die sie uns aufzwingen wollen. Einige Gruppen
werden Leuchtfeuer innerhalb ihrer Dörfer und
Städte entlang des Sees organisieren. Diese Aktion wird
von Picknicks und anderen festlichen Ereignissen begleitet
werden. Die Bewegung ist sichtbar, festlich, bestimmt und
verantwortlich und der See wird zum Spiegel ihrer
Forderungen gemacht werden.
PS:
In Lausanne wird das Feuer in Vidy stattfinden und von
Feiern, Tanzen und Konzerten begleitet werden.
Infrastrukturen
Vorgesehen
sind zwei Zentren der Begegnung, eines im
antikapitalistischen Dorf, das andere in der Stadt.
Außerdem werden zahlreiche Informationpunkte
eingerichtet. Eine Antirrepressionsgruppe (gar@no-log.or)
wird juristische Hilfe und Beistand leisten. Die ganzen Tage
über werden im Dorf und in der Stadt von 16 bis 22 Uhr
zwei juristische Büros geöffnet haben, die von
Juristen und Militanten betreut werden. Juristische Auskunft
per Telefon ist 24 Stunden lang garantiert.
Das
antikapitalistische Dorf Oulala C'Village"
Oulala
C'Village" ist ab 24. Mai geöffnet. Es ist ein Ort des
Widerstandes und des Experiments gegen Kapitalismus,
Patriarchat, Rassismus, Integralismus, Faschismus, gegen
Umweltverschmutzung und Hunger in der Welt, für die
Befreiung der Tiere, für ein einfaches Leben im Respekt
vor den Wesen auf dem Land und im Wasser. Es steht für
das gerechte Teilen der Ressourcen für alle.
Unter
diesem Gesichtspunkt lässt es sich von den
hauptsächlichen Prinzipien Gleichheit, Selbstverwaltung
und Partizipation leiten. Das Ziel ist es, die Relationen
Konsument &endash; Verkäufer zu durchbrechen. Es soll
Demonstrantinnen und Demonstranten aufnehmen, beherbergen
und informieren. Das Dorf ist um sogenannte Barrios
organisiert, d.h. Einheiten, die mit Küche,
sanitären Anlagen, Mülltrennung und einem Raum
für Diskussionen organisiert sind. Diese kollektive
selbstverwaltete Struktur verfügt über ein
ständig besetztes Empfangszelt für die
Neuankömmlinge, einen Informationspunkt, eine
interaktive Struktur zur Koordination und Information sowie
einen Kinderplatz, dessen Ziel nicht Baby-Sitting ist,
sondern den Kleinsten spezifische Aktivitäten
anzubieten, um sie in die kollektiven Aktivitäten mit
einzubinden (Küche, Versammlungen etc.).
Jedes
Barrios verfügt über eine Küche, mit Speisen
zu freien Preisen. Sie wird selbstverwaltet, von der
Zubereitung bis zum Saubermachen. Basisprodukte für die
Speisen sind Reis, Gemüse, Mehl etc., die im Dorf zur
Verfügung stehen. Für Geschirr und Besteck sollte
bei der Anreise selbst gesorgt werden.
Im
Dorf selbst agieren verschiedene Aktionsgruppen:
Bertha" ist eine Gruppe für Koordination und
Konfliktvermeidung. Außerdem steht eine
Ärztegruppe zur Verfügung, sowie ein Zelt für
Ratschläge, Informationen, Erste Hilfe. Weiterhin wird
es eine Übersetzergruppe geben.
Kontakte
und Informationen:
http://www.squat.net/contre-attaque/village
Quelle:
Evian
G8.org
weitere
Informationen und Mitfahrgelegenheiten siehe auch:
http://www.attac.de/evian/
Horst-Eberhard
Richter im Freitag 24 vom 6.6.2003 (pdf-format):
Stillhalten
ist tödlich
DIE
LEGENDE VON DER BEDROHUNG DURCH IRAKISCHE
MASSENVERNICHTUNGSWAFFEN
-
Rumsfeld und Wolfowitz legen die Karten auf den
Tisch
"Die
Wahrheit ist, dass wir uns aus Gründen, die sehr viel
mit der Regierung der Vereinigten Staaten selbst zu tun
haben, auf einen Punkt geeinigt haben, mit dem jeder
einverstanden sein konnte: Massenvernichtungswaffen als
wesentlicher Kriegsgrund"
Paul
Wolfowitz, stellvertretender US-Verteidigungsminister im
Interview mit dem Magazin Vanity Fair am 30. Mai
2003
Die
USA haben im Irak einen puren imperialen Eroberungskrieg mit
der nun mehr zugestandenen Lüge geführt, das
eigene Land und die Welt vorbeugend gegen die Bedrohung
durch Massenvernichtungswaffen verteidigen zu müssen.
Millionen in allen Kontinenten waren am 15. Februar auf die
Straßen gegangen, weil sie den Schwindel ahnten.
Manche Regierungen haben den Krieg mitgemacht, nicht weil
sie gutgläubiger waren, sondern weil sie auf die
Vorteile durch Unterwerfung aus waren. Nun haben zwei
Verantwortliche im Pentagon die Karten auf den Tisch gelegt:
Die Mär von der Bedrohung durch die Horror-Waffen habe
sich halt als das wirksamste psychologische Mittel
angeboten, um den Krieg akzeptabel zu machen. Alle
hundertfach von Bush behaupteten und von Blair wiederholten
oder ergänzten Beweise für versteckte Arsenale
waren nichts als Bluff.
Was
wäre im bürgerlichen Alltag die Reaktion auf
arglistige Täuschung von ähnlicher Schwere? Ein
Skandal wäre unausweichlich. Die Täter würden
an den Schandpfahl, wenn nicht vor Gericht gestellt. Auf
verantwortlichen Posten wären sie nicht länger zu
halten. Und die Helfershelfer wären heillos
blamiert.
Aber
wie ergeht es den "Geständigen" Rumsfeld und Wolfowitz?
Niemand skandaliert sie. Sie selbst machen sich kaum die
Mühe, ihre Genugtuung über die gelungene
Täuschung zu verbergen. Was aber ist mit den Millionen
Protestierenden vom 15. Februar und den
Bevölkerungsmehrheiten, die überall bei Umfragen
ihre Kriegsgegnerschaft bekundet hatten? Momentan Schweigen
im Walde. Auch hierzulande kaum Aufregung über das
Gefasel der Schäuble, Merkel und Pflüger von der
"Drohkulisse" die angeblich Saddam zur Herausgabe der
Massenvernichtungswaffen, die er gar nicht hatte, zwingen
sollte.
"Ich
bin bestürzt, weil ich weiß, dass die
Bundesregierung über Informationen verfügt, dass
es Massenvernichtungswaffen im Irak gibt"
Friedbert
Pflüger, Außenpolitischer Sprecher der
CDU/CSU-Fraktion am 4. Februar 2003
Nun
muss sich entscheiden: Bleibt es bei dem sprachlosen
Entsetzen? Beugt sich die internationale Protestgemeinschaft
der siegreichen Machtwillkür, oder findet sie zu der
Selbstachtung und der Widerständigkeit vom 15. Februar
zurück? Kaum zu glauben, dass der Triumph des
Militärs ihnen die moralische Energie rauben
könnte, mit der sie der Invasion entgegengetreten
waren. Sie hatten doch recht mit ihrem friedlichen Aufstand.
Den lange beschlossenen Angriff konnten sie nicht
verhindern. Aber ein Zeichen haben sie gesetzt, das
nachwirken wird, sofern sie jetzt nicht nachträglich
dem falschen Spiel durch Resignation Recht geben.
Es
ist doch verkehrte Welt, wenn jetzt der seiner Unredlichkeit
überführte Präsident ausgerechnet diejenigen
europäischen Staatsmänner, die sich von ihm nicht
zum Narren halten ließen, durch Schikanen bestraft,
obwohl er doch selbst und sein ganzer Führungszirkel an
der Reihe wären, sich für ihre Unredlichkeit zu
entschuldigen.
Fortan
dürfte aber klar sein: Diese amerikanische Regierung
wird gut und böse endgültig nur noch nach dem
Maßstab differenzieren "Wer gehorcht uns und wer
nicht". Wir siegen, also haben wir Recht. Nun grassiert
ringsum eine Epidemie des Umdenkens wie durch ein
hochinfektiöses Virus. Eine Regierung nach der anderen
entdeckt die neue Anständigkeit, nämlich
Selbstentmündigung als vermeintliches Gebot von
Loyalitätspflicht und Dankesschuld. Die Polen
dürfen im Irak Polizei spielen, und die Briten
dürfen hoffen, dass die Beute Öl mit ihnen geteilt
wird. Wer nicht mitmacht, sieht die kalte Schulter. Kritiker
aus dem eigenen Land werden als unpatriotisch stigmatisiert,
alle übrigen als feindliche Anti-Amerikaner.
"Amerikaner
neigen einem eigentümlichen Wahn zu", schreibt Norman
Mailer, "nämlich, dass wir Amerikaner alles
können". John le Carré lässt sich von der
Londoner Times so zitieren: "Die USA haben wieder eine ihrer
Perioden historischen Wahnsinns erreicht, aber das ist die
schlimmste, an die ich mich erinnern kann."
Wahnsinn,
das ist schnell dahingesagt. Aber ist nicht etwas daran?
Wahn ist Besessenheit. Präsentiert dieser
Präsident im Weißen Haus sich nicht ganz offen
als Besessener mit seiner Kreuzritter-Mentalität und
seinem exorzistischen Berufungsglauben? Und erreicht er es
etwa nicht, dass sich Massen willig von seinen
Welt-Rettungsphantasien hinreißen lassen, so dass
selbst die Demokraten um ihre Wahlchancen fürchten,
wenn sie seiner Kriegspolitik widersprechen? Also handelt es
sich doch um ein Kollektivphänomen, wie es Freud schon
1920 in Massenpsychologie und Ich-Analyse beschrieben
hatte.
Nun
wiegeln manche ab: Könnte man diesem Präsidenten
und seinem hingerissenen Gefolge nicht den Traum
gönnen, etwas Besonderes zu sein und in Gottes eigenem
Land zu leben. Schließlich sind die Amerikaner zur
Zeit die Stärksten, und ist es denn so schlimm, wenn es
doch die Freiheit ist, die sie überall hintragen
wollen?
Tatsächlich
ist Freiheit der Begriff, den Bush beinahe jeden zweiten Tag
beschwört. Was aber lebt er vor? Was ist das anderes
als pure Machtwillkür aus Stärke, wenn er die UNO
erpresst und bei Misslingen missachtet, wenn er das Prinzip
der Ebenbürtigkeit und der Gleichberechtigung der
Völker aushebelt, auf das sich die internationale
Staatengemeinschaft 1945 - unter maßgeblicher
Mitwirkung der USA - verständigt hatte?
Da
ist die neue "Nationale Sicherheitsstrategie der Vereinigten
Staaten". Sie will die militärische Übermacht der
USA für alle Zeit festschreiben und gegen jede etwa
erwachsende Konkurrenz durchsetzen. Das aber ist nichts
anderes als die Programmierung der nächsten Kriege. Die
Drohgebärden gegen den Iran sind in dieser Hinsicht
bereits unmissverständlich.
Freiheit
kann immer nur bringen, wer diese zunächst in sich
selbst hat. Jedenfalls fehlt sie demjenigen, der sich
ständig von Schurken und Schurkenstaaten umringt sieht,
deren er sich durch unablässiges militärisches
Besiegen erwehren zu können glaubt. Wer die Welt so
sieht, dem wohnt nicht die Freiheit, sondern
Verfolgungsangst inne. Das Wahnhafte liegt also gar nicht so
sehr in der grandiosen Selbstüberschätzung im
Sinne von Mailers "Wir Amerikaner können alles".
Vielmehr verrät die Besessenheit eine aus dem eigenen
Inneren aufsteigende Phantasie des Schrecklichen, des
Zerstörerischen, der Barbarei. Und dieses Gespenst muss
fortwährend an äußeren Feinden festgemacht,
bekämpft und besiegt werden. Das Phantom der
unauffindbaren Massenvernichtungswaffen des Saddam Hussein
war für die Rumsfeld und Wolfowitz gewiss nur eine
wohlkalkulierte Erfindung. Aber für den
Präsidenten war es und ist es anscheinend doch noch
mehr, nämlich die unentbehrliche Materialisierung des
Bösen, die das gesuchte heroische Szenario für die
Rettungstat plausibel macht. So hält er ja auch anders
als Rumsfeld und Wolfowitz an dem unbedingten Vorhandensein
des Teufelszeugs in unentdeckten Verstecken unbeirrbar fest.
Die paranoide Fixierung auf die lauernden feindlichen
Arsenale ist die gefährliche Kehrseite der geheimen
Selbstvergöttlichung.
"Die
Bedrohung durch Saddam Hussein und seine
Massenvernichtungswaffen ist real"
Angela
Merkel, CDU-Vorsitzende am 8. Februar 2003
Aber
was an dieser Irreführung der Welt auch immer normal
oder pathologisch ist - so oder so ist entschlossener
Widerstand gegen die destruktiven Auswirkungen dieser
Mentalität geboten. Die von den Kriegsmachern
heraufbeschworene moralische Krise darf nicht verschwiegen
oder gar verdrängt werden. Die Gegenkräfte, die
der 15. Februar sichtbar gemacht hat, dürfen nicht
schweigen, was hieße, dem Schurkenstück
nachträglich Recht zu geben.
Die
neue US-Strategie heizt unausweichlich ein neues
Wettrüsten und die Entwicklung neuer Generationen von
Massenvernichtungswaffen an. Die Führungsmacht
büßt auf diesem Wege nichts von der
Verletzbarkeit ein, die ihr am 11. September 2001 bewiesen
wurde. Nur eine internationale, von unten herauswachsende
und vernetzte Bürgerbewegung kann in die Politik die
Idee hineintragen, die allein die gemeinsame Zukunft
garantiert: Das ist der Aufbau von Sicherheit durch
Gemeinsamkeit, das heißt Widerstand gegen die
Pentagon-Strategie, die genau die Katastrophe, auch für
die USA selbst, vorbereitet, die sie verhindern zu
können vorgibt.
Die
Sozialabbau-Gesetze sind ein absoluter Skandal!
Das
Grundprinzip der Verarmung von Arbeitslosen bleibt trotz
'Nachbesserungen' nach wie vor bestehen.
Daniel
Kreutz aus dem wissenschaftlichen Beirat von Attac fasst
die Bedeutung so zusammen:
Die
Grundsatzbotschaft des Staates an Erwerbslose und
Beschäftigte, die sich mit der Kürzung der
Bezugsdauer des Arbeitslosengelds und der Abschaffung der
Arbeitslosenhilfe zu Gunsten der 'Grundsicherung bei
Erwerbslosigkeit' (Arbeitslosengeld II) auf
Sozialhilfeniveau verbindet, lautet:
Egal,
welchen Beruf und welche Qualifikation Du hast, egal, was
Du vorher verdient hast, egal, welchen Lebensstandard Du
Dir erarbeitet hast - nach 12 Monaten Erwerbslosigkeit
hast Du nur noch Anspruch auf Armut - und den auch nur
dann, wenn Du bereit bist, Dein Leben unter amtliche
Vormundschaft zu stellen (verbindliche, sanktionsbewehrte
'Eingliederungsvereinbarung') und auch den miesesten Job
anzunehmen.
Nicht
nur die Grundrechte auf Selbstbestimmung und
Berufswahlfreiheit werden verletzt, sondern auch das
Grundrecht auf Menschenwürde - denn Armut verletzt
die Menschenwürde.
Dies
trifft besonders eine halbe Million Kinder, die durch die
Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zusätzlich in
Armut gedrückt werden und denen mit den Regelungen
der 'Grundsicherung bei Erwerbslosigkeit' Verwahrlosung
droht (so der Präsident des Deutschen
Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers).
Nach
Hartz IV kann von einer "Absicherung" des sozialen
Lebensrisikos der Erwerbslosigkeit keine Rede mehr sein.
Der lohnabhängige Mensch wird wieder zur Ware,
nahezu schutzlos den Risiken eines "freien"
Arbeitsmarktes ausgesetzt, während der Staat sich
von der Bekämpfung der Erwerbslosigkeit
endgültig auf die Bekämpfung der Erwerbslosen
verlegt.
Das
ist strukturelle Gewalt gegen Millionen wehrloser
Menschen. Das ist nicht "modern", sondern ein
Rückfall ins 19. Jahrhundert.
Seit einiger Zeit läuft die
Anzeigenkampagne "Keine
Macht dem Terrorismus!"
einer
"European
Security Advocacy Group",
die auch in der SZ veröffentlicht wird.
So
klar Terrorismus zu verurteilen ist, so klar ist die perfide
Doppelmoral dieser Kampagne und ihrer Urheber vermutlich aus
Donald Rumsfelds Desinformationsstab zu entlarven.
Gegenbemerkungen
von Wolfgang Fischer zu der Anzeige in der SZ vom 15.11.03,
«Anzeigentext»
«Wie
heldenhaft ist ein Terrorist, der Kinder seine Drecksarbeit
machen läßt»?
Wie
zukunftsweisend ist eine Politik, wie kreativ eine
Gesellschaft, die sich weigert, offen und ehrlich die
Antwort auf die Frage zu geben, warum sich junge Menschen
als Terroristen" in den Tod stürzen? Das
Schicksal des Sklaventums hat mittlerweile im Frondienst der
globalen Konzerne die Mehrheit der Weltbevölkerung
ereilt. Ist es da so schwer zu erkennen, dass sich die
Antiterrorgesetze und die Antiterrorkriege genau gegen
diejenigen Menschen richten, die sich aufbäumen gegen
eine monströs angewachsene Ungerechtigkeit und die
Lüge von Freiheit und Demokratie?
Wie
glaubwürdig ist eine Politik und wie sinnvoll eine
Weltwirtschaft, die den Reichtum in den Händen weniger
konzentriert zu unerträglich werdenden Lasten einer
wachsenden Mehrheit von Hungernden?
«Wenn
Terroristen ein Gewissen hätten, wären sie
wahrscheinlich keine. Aber ganz bestimmt würden sie
nicht ausgerechnet Frauen und Kindern Waffen und Bomben an
die Hand geben.»
Wenn
kriegsführende Regierungen ein Gewissen hätten,
würden sie keine Kriege führen. Aber ganz bestimmt
würden sie nicht ausgerechnet die
Zivilbevölkerungen und deren lebensnotwendige
Infrastrukturen ins Fadenkreuz ihrer Waffensysteme
nehmen.
«Doch
genau das tun sie. Kinder werden oft schon vor ihrem 7.
Lebensjahr an von Terroristen rekrutiert und als Spione,
Boten oder einfach als Kanonenfutter mißbraucht. Einer
jüngsten Studie zufolge waren Kinderterroristen in den
letzten 10 Jahren in tausende von Angriffen verwickelt. Und
meistens haben dabei Kinder Kinder
getötet.»
Doch
genau das tun sie. Soldaten werden zum maschinengleichen
Funktionieren ausgebildet, sie werden in
völkerrechtswidrige Kriege geschickt, nur um
Machtinteressen zu befriedigen. Die Waffenindustrie der
Industrienationen schreckt nicht davor zurück, selbst
Kinderarmeen zu bewaffnen. Weltweit dienen unzählige
Kriege seit Jahrzehnten der Sicherung von Ressourcen
für die Industrieländer. Dabei töten Menschen
Menschen.
«Undenkbar?
Leider wahr. Aber bei Al Quaida und Konsorten muß man
mit allem rechnen. Vereinbarungen wie die Genfer Konvention
scheint es für diese Kriegsherren" nicht zu
geben. Bestenfalls spotten sie
darüber.»
Unmenschlich?
Leider allgegenwärtig. Aber bei den Regierungen der
Industrieländer muß mit allem gerechnet werden.
Erst nähren sie den Terror und dann instrumentalisieren
sie ihn. Das Völkerrecht und ihre eigenen Verfassungen
treten sie mit Füßen. Selbstherrlich setzen sie
sich über jeglichen Anspruch von Humanität hinweg.
Hohn und Zynismus feiern Hochzeit.
«Ihre
Hauptquartiere liegen in den Wohngebieten, wobei sie
diejenigen, für die zu kämpfen sie behaupten, zu
ihren lebendigen Schutzschilden machen. Sie schrecken nicht
einmal davor zurück, schwangere Frauen als
Selbstmordattentäter einzusetzen. Weil sie
weniger" auffällig sind.»
Die
Hauptzielgebiete der konzerngesteuerten Kriegsherren sind
dicht bevölkerte Lebensräume, wobei sie vorgeben
diejenigen zu befreien", deren nationalen Besitz sie
in Beschlag nehmen und gewinnträchtig verkaufen, deren
Lebensgrundlagen sie zerstören. Sie schrecken nicht
einmal davor zurück, ganze Landstriche atomar zu
verseuchen, deren Bewohner auf Generationen genetisch
geschädigt werden. Strahlung ist nahezu ewig und
unsichtbar.
«Begründet
werden diese verbrecherischen Machenschaften mit einer
übergeordneten Sache". Mit der fragwürdigen
Aussicht auf eine bessere Zukunft. Leider wird die Mehrzahl
der verführten und mißbrauchten Frauen und Kinder
diese Zukunft nicht erleben.»
Begründet
werden die modernen Kriege mit Humanität; sie sollen
Demokratie und Freiheit bringen. Das neoliberale
Wirtschaftssystem verspricht mit der Zerschlagung
lebensnotwendiger gewachsener sozialer Strukturen gar eine
goldene Zukunft; dazu gäbe es keine Alternative. Doch
werden heute bereits die Lebensgrundlagen zukünftiger
Generationen vernichtet.
«Leider
wird die Mehrzahl der verführten und mißbrauchten
Frauen und Kinder diese Zukunft nicht
erleben.»
Leider
hat eine zunehmende Mehrheit der Weltbevölkerung nur
deshalb keinerlei Zukunftsperspektive, weil unser
Ausbeutungssystem derart konzipiert ist, dass die Schulden
der Habenichtse die Vermögen Weniger ins Uferlose
wachsen lassen. Der militärische Krieg dient der
Sicherung der Ressourcen und der Krieg auf dem Schlachtfeld
der sozialen Lebenbedingungen dient dem Profit der globalen
Konzerne.
Es
herrscht Krieg wohin wir schauen, nur - wer sieht es schon?
Die eigentlichen Terroristen" und Verfassungsfeinde
lassen sich unschwer identifizieren und auch
entwaffnen", wenn wir mit allen uns zu Gebot stehenden
Mitteln die Nebelschleier der allgegenwärtigen
Doppelmoral und des menschenverachtenden Zynismus
vertreiben; die Kraft und den Mut dazu gibt uns das
solidarische Verständis von weltumfassender
Menschlichkeit und Verantwortung füreinander und
für unsere Lebensgrundlagen. Stillhalten, Schweigen und
Wegschauen, das können wir aus der jüngeren
deutschen Geschichte lernen, führt in den Abgrund.
Zivilcouragiertes Einmischen ist gefragt, ein jeder dort wo
er lebt und so wie er kann. Widerstand gegen die
schleichende Verstaatlichung der Souveränität der
Weltbürger und ihre Versklavung durch die globalen
Konzerne allein bewahrt unsere Freiheit und Vielfalt. Diese
sind die kreative Voraussetzung für eigenständige
wirtschaftliche und soziale Entwicklungen, die sich an der
Notwendigkeit der Erhaltung der Natur und einem friedlichen
Zusammenleben der Mesnchen orientieren. Zukunftsicherung
verwirklicht sich erst durch gegenseitigen Respekt, Achtung
vor dem Leben und durch kooperatives Lernen.
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Version 10. 2003 , Kritik, Anregungen zu Form und Inhalt,
Dialog sowie unveränderter Nachdruck bei Quellenangabe
und Belegexemplar erwünscht. Übersetzung in andere
Sprachen erwünscht. Kürzungen und Änderungen
nach Absprache möglich.
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