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Vom Wirtschaftskrieg zur Kriegswirtschaft

Die Waffen der "Neuen Weltordnung"

von Claudia von Werlhof

Vortrag "Austrian Social ", 30.5.2003, Hallein

 

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Wir sind es eigentlich nicht gewöhnt - vielmehr, es ist tabuisiert, - einen Zusammenhang zwischen Krieg und Wirtschaft zu sehen. Für die meisten Männer zumal gilt der Krieg immer noch als ultima ratio, also als letzter Ausweg, der ihnen einfach zur Verfügung stehen muß. Sie lieben den Krieg geradezu, er ist sozusagen ihre vornehmste Erfindung und gilt als eine Kunst. Der Krieg soll also eine Kulturtat sein - oder aber, paradoxerweise, ein Naturereignis!

Ich möchte im Gegensatz zu solcher beschönigenden und die Gewalt ästhetisierenden Irrationalität bzw. angeblichen Unabänderlichkeit des Krieges den Zusammenhang zwischen der Waren- oder Geldlogik und der Kriegslogik herstellen.

Denn wir sind heute in der Situation, daß Demokratie, Friede und Wohlstand auch dort, wo sie nach dem letzten Weltkrieg wieder erstanden sind, vor unseren Augen zerrinnen und stattdessen eine Verarmung und Zerstörung begonnen hat, die immer kriegerischere Züge annimmt.

Meine These: Die Logik des Krieges ist, ein neues Wachstum zu schaffen. Also immer dann, wenn unser System ökonomisch an seine Grenzen stößt, ist es bereit, den Krieg zur Durchbrechung dieser Grenzen einzusetzen. Der Krieg ist auf diese Weise eine Bedingung für neues Wachstum, das heißt, er ist die Fortsetzung nicht etwa nur der Politik, sondern gerade auch die Fortsetzung der Wirtschaft mit anderen Mitteln.

Dabei ist zu unterscheiden zwischen einem ökonomischen Krieg, der im Wesentlichen darin besteht, eine neue Akkumulation durch Okkupation und Enteignung, das heißt Wachstum durch Raub - man könnte auch sagen, durch „fortgesetzte ursprüngliche Akkumulation" - zu schaffen. Die zweite Möglichkeit ist der unmittelbare Krieg, also die militärische Zerstörung eines Gebiets, um dann durch einen sogenannten Wiederaufbau des vorher Zerstörten neue Wachstumsraten zu beschaffen.

Das Ganze kann man mit Hannah Arendt als die "Banalität des Bösen" bezeichnen. Denn: Wer ist schon gegen Wachstum oder kann es sich leisten, etwas anderes wichtiger zu finden, und das womöglich auch noch öffentlich zu vertreten? Würde sich so jemand nicht unendlich lächerlich machen?

Was in diesem System jedenfalls nicht in Frage zu kommen scheint, ist eine Umverteilung nach unten, das heißt ein Verzicht auf Akkumulation, oder/und die Aufrechterhaltung bzw. neuerliche Ingangsetzung nicht lohnender, nicht genügend profitabel erscheinender Produktionen. Denn aus der Systemsicht ist nur das am Profit orientierte Geld akzeptabel, nicht aber der allgemeine soziale Wohlstand.

Andererseits: Gänzlich unmöglich ist auf die Dauer jedoch das Wachstum auf Kosten der Ausbeutung von sog. Naturressourcen, vor allen Dingen derer, die sich nicht erneuern, weil sie irgendwann - und diesmal wirklich unausweichlich - an ihr Ende gelangen und damit auch &endash; vielleicht noch etwas verzögert durch eventuelle technische Erfindungen - das entsprechende System. Das heißt: Gegen die Endlichkeit der Erde wird auch der Krieg letztlich nichts vermögen, so viel er auch dazu beiträgt, die irdischen „Ressourcen" im und für den Krieg bzw. die Wirtschaft aufzuspüren, herzurichten, anzuhäufen, in Geld/Ware/Kapital zu transformieren und schließlich zu zerstören.

Uns wird ja nun seit zwei Jahrzehnten immer wieder mit großem Nachdruck gesagt, daß es keine Alternative gäbe zum Neoliberalismus. "There is no alternative", das war der Spruch von Margaret Thatcher seit den 80er Jahren. Das heißt, die Wirtschaftspolitik des Neoliberalismus wird als eine Art „höhere Gewalt" definiert bzw. als eine Naturnotwendigkeit, eben: wie der Krieg.

Ich würde sagen, daß das heute inzwischen regelrecht obszön wirkt, denn alle Gesellschaften, die diese Politik angewandt haben, befinden sich bereits mehr oder weniger überall auf der Welt "im freien Fall": Die Nationalstaaten lösen sich auf, politische Parteien sind nicht wiederzuerkennen, Regierungen mutieren zu Geheimgesellschaften, der Sozialstaat wird zerstört, Familien implodieren, der Einfluß der Gewerkschaften wird zersetzt, Unternehmen verschwinden im Rachen der Konzerne, öffentliche Güter werden an private Konzerne verscherbelt, und die Versorgung mit lebensnotwendigen Leistungen ist nicht mehr garantiert. Bildungseinrichtungen werden zertrümmert, die Verteuerung des Lebens hat enorm zugenommen, ohne daß dies zugestanden würde, und eine allgemeine Verelendung durch ein rapides Anwachsen der Arbeitslosigkeit ebenso wie nur mehr prekärer, hausfrauisierter, wenn nicht gar sklavenartiger Arbeitsverhältnisse ist überall und nun auch in den Industrieländern zu beobachten.

Dieser sogenannten "höheren Gewalt" folgt dann gewissermaßen, angeblich ebenso notwendig, die &endash; so könnte man sagen - "niedere" Gewalt der unmittelbaren Kriegshandlung. Demnach befinden wir uns im Schritt eins auf dem Weg zum Krieg. Denn beim globalisierten Neoliberalismus handelt es sich um eine mutwillige Enteignung, Ausplünderung sowie Zerstörung der nicht konzerngesteuerten Wirtschaft, also vor allen Dingen des öffentlichen Sektors, aber auch der kleinen und mittleren, ja sogar der größeren „nationalen" Unternehmen.

Auf der anderen Seite der Medaille haben entsprechend einige wenige transnationale Konzerne explosionsartig anwachsende Umsätze und Einkommen zu verzeichnen, ihr Reichtum ist skandalös und in der Welt von nie dagewesenem Ausmaß. Es ist aber dieser Reichtum zusätzlich auch noch mit Subventionen, Steuerbefreiungen und unseren Steuereinnahmen sowie Zinszahlungen mitbezahlt worden. Die Nutznießer sind Konzernchefs und Manager, Versicherungen, Banken und andere multinational engagierte und oft am Rande der Legalität oder gar mafios operierende Konzerne, die auch in der Untergrundwirtschaft des Waffenhandels, des Drogenhandels, des Menschenhandels und der sexuellen Versklavung tätig sind und anschließend ihre Gelder „weißwaschen", insbesondere auch bei „seriösen" Schweizer Banken, also gleich nebenan. Eine solche Politik hat zur Bildung von Oligopolen und Monopolen geführt, die längst die Märkte unter sich aufgeteilt und ihnen eine etwa noch bestehende Freiheit genommen haben.

Zusammengefaßt: Die Riesen-Vermögen sind in den letzten Jahrzehnten immer mehr auf parasitäre Weise zustandegekommen, also ohne eigene Arbeit und Produktion, sondern durch Enteignung, Subventionierung, Geldverleihung gegen hohe Zinsen und Spekulation.

Wir befinden uns aus dieser Sicht in einem Wirtschaftskrieg/ einer Kriegswirtschaft, die inzwischen in eine wahrhaftige Zivilisationskrise münden. Denn es ist absehbar, daß eine Fortführung dieser Umverteilungspolitik von unten nach oben zu einem Kollaps von Wirtschaft, Ökologie und Gesellschaft führen muß.

Das wissen vermutlich auch die global players, denn sie sind zu einem Amoklauf gestartet, um die letzten Märkte, Investitionsfelder und Ressourcen der Welt so hemmungslos und ausgiebig und so lange wie noch möglich auszubeuten. Der Name dieses Projekts heißt WTO, Welthandelsorganisation bzw. Freihandel weltweit, unterstützt vom Internationalen Währungsfond, der Weltbank und den transnationalen Konzernvereinigungen.

Zuletzt hat als Unterabkommen der WTO das GATS, das allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, zu diesem Projekt beigetragen. Es ist die erweiterte Form des multilateralen Abkommens über Investitionen, MAI. Dabei ist inzwischen deutlich geworden, daß das GATS zum Problem Nummer eins auch im Westen bzw. Norden geworden ist, ohne daß dies aber zugegeben würde.

Das GATS ist sozusagen eine neue „Massenvernichtungs-Waffe" im Wirtschaftskrieg. Sie soll für ein neues Wachstum sorgen, indem praktisch der gesamte „non-profit"-Bereich nun auch in die Privatisierung und Kommerzialisierung einbezogen wird. Das GATS soll nämlich bewirken, daß die gesamte Reproduktion, der Rest von Subsistenz und die Hausarbeit, also die gesamte sog. Daseinsvorsorge bzw. -versorgung zu profitablen Warenproduktionen umgestaltet werden. Der gesamte Alltag soll durchkommerzialisiert und &endash;monetarisiert und die Rationalität des profitorientierten Geldes auch noch in die intimsten Winkel der Privatsphäre katapultiert, die letzten Momente von Moral, Rücksichtnahme, Mitleid, Altruismus oder liebevoller Zuwendung ausgemerzt werden.

Die letzten öffentlichen Gemeingüter und Almenden sollen durch eine entsprechende Politik der Bildung von neuem Privateigentum mittels " Einhegungen", der Enklaven ( „enclosures"), also durch eine Politik der gewaltsamen Privatisierung bzw. unmittelbaren Beraubung verschwinden. Nach und nach sollen damit alle öffentlichen Bereiche auch endgültig und irreversibel der demokratischen Kontrolle entzogen werden.

Das GATS ist wie ein Krieg der Versuch, auch noch die letzte Grenze der Durchkapitalisierung aller Verhältnisse zu überwinden. Die bereits weltweit zu beobachtenden Folgen davon sind: Die neuen Dienste sind schlecht, teuer und knapp. Sehr viele Menschen sterben einfach, weil sie keine Gesundheits- oder keine Wasserversorgung mehr haben. Das geschieht bereits in den Ländern des Südens, wo diese Politik schon seit den 80er Jahren betrieben wird: Privatisierung geht jetzt schon buchstäblich über Leichen.

Dabei ist das GATS als weltweiter Vertrag noch gar nicht unterschrieben. Wenn er nämlich unterschrieben wird, dann ist das GATS auch eine weltweite Verfassung. Es hat den Status des Völkerrechts, ein neues internationales Recht, das top down wirkt, nämlich nationales und kommunales Recht unwirksam macht. Renato Ruggiero, einstmals WTO-Chef, sagte bereits über das MAI : "Wir schreiben die Verfassung einer einzigen Weltwirtschaft". Es wäre zu ergänzen: „... einer einzigen Weltpolitik".

Auf diese Weise ist das GATS Teil der Neuen-Welt-Ordnung, NWO, die schon der Vater von George W. Bush 1991 im ersten Golfkrieg als politisches Projekt propagiert hat. Mit dem GATS kann eine solche NWO nun also auch erzwungen werden, weil alle, die nicht mitmachen wollen, durch Schadensersatzklagen der interessierten Konzerne wegen sog. "indirekter Enteignung" &endash; welche eine groteske Verkehrung! &endash; vor dem WTO-Schiedsgericht, einer Art internationalem Konzerngerichtshof, gezwungen werden können, alle GATS- Regeln anzuerkennen, also den Konzernen ein zu ihren Gunsten völlig dereguliertes Feld zur Plünderung zu überlassen.

Ich bezeichne die Politik mit dem GATS als eine Kolonialpolitik zum Zwecke fortgesetzter ursprünglicher Akkumulation und Enteignung: der Aneignung von Volksvermögen und Naturressourcen seitens der Konzerne in aller Welt. Das heißt, diese „Wirtschafts"- Politik ist eine gewalttätige und unmittelbar verknüpft mit dem anderen Gesicht der Globalisierung, nämlich dem Krieg. Hier bilden Krieg und Wirtschaft nicht mehr nur ein einziges Kontinuum, sondern werden immer ununterscheidbarer in ihrer Vermengung. Sie werden zu den zwei Seiten derselben Medaille.

Daß Freihandel, Piraterie und Krieg zusammengehören, hat schon Goethe festgestellt. Wir haben es hier aber mit einer noch erweiterten Form davon zu tun, nämlich dem militärischen high-tech- Überfall. Denn was heißt heute Krieg? Er ist eigentlich militärischer Überfall oder sog. "Angriffskrieg" von Westmächten, bisher auf geopolitisch wichtige und ressourcenreiche Gebiete des Ostens und des Südens. Rosa Luxemburg hat diese Politik, wie sie gegenüber den Kolonien des 19. Jahrhunderts gang und gäbe war, folgendermaßen definiert: Der Militarismus sei „der Vollstrecker der Kapitalakkumulation". Der Krieg ist demnach eine Art Gerichtsvollzieher, der eine Zwangsvollstreckung durchführt, um sich alle vorhandenen bzw. die letzten Ressourcen mit Hilfe von Gewalt anzueignen. Das „Recht" dazu wird durch ein neues „Völkerrecht" &endash; perverserweise als Recht der Konzerne gegen die Völker &endash; „gesetzt". GATS ist ein Schritt auf diesem Weg, der die fehlende Legitimierung dieser Politik durch die Legalisierung eines neuen Un-Rechts ersetzen soll.

"Frag Bechtel, wofür der Krieg gut ist", schrieb Bob Herbert in der Herald Tribune im April, denn Bechtel, der US-Wasserkonzern, bekam im Irak bereits Euphrat und Tigris für die Wasserprivatisierung zugesprochen. Das Öl wird indessen mit UNO-Zustimmung zur Finanzierung des „Wiederaufbaus" durch US-Konzerne an die Besatzungsmächte USA und Großbritannien übergeben. Auf diese Weise war der Krieg gegen den Irak, also der Überfall auf den Irak, nicht nur ein Geschäft von Rüstungskonzernen und dem militärisch-industriellen Komplex, sondern auch ein platter Raub am Öl, am Wasser und anderen Ressourcen des Irak sowie die Aneignung der Verfügung über einen sog. Wiederaufbau nach der Zerstörung. Danach folgt die Durchsetzung neoliberaler Politik im Irak und in der Folge möglichst überall im Mittleren Osten, beginnend etwa mit Syrien und dem Iran, wie sich schon abzeichnet. Das Ganze wird uns auch noch verkauft als ein „humanitärer Akt" der Befreiung einer Bevölkerung von ihrem Tyrannen und seinen „Massenvernichtungswaffen", die bisher - im Gegensatz zu denen der Kriegsherren - nirgends aufgetaucht sind.

Auf diese Weise wird der Irak-Überfall zum Modell für die Zukunft. Globalisierung ist gewaltsame Durchsetzung des Neoliberalismus als einer „Lizenz zum Plündern" ebenso wie einer „Lizenz zum Töten" und bedeutet: Die Konzerne wollen alles, jeden Markt, jedes Investitionsfeld, jede Ressource für sich allein. Das ist des Pudels Kern der neoliberalen Wirtschaftspolitik, die uns immer aggressiver als angeblich „seriös" und alternativlos verkauft wird.

Und wenn kein Investitionsfeld da ist, dann wird es eben geschaffen, nämlich als und durch Krieg bzw. als Krieg mit dem Krieg. So sehen wir, wie Michel Chossudovsky analysiert hat, daß z. B. sowohl die Taliban in Afghanistan wie auch die UCK im Kosovo mit westlichen Drogengeldern aufgebaut worden sind und am Ende die NATO gegen die vom Westen selbst organisierte UCK Krieg führte.

Daß auch die EU eine Waffe der Neuen-Welt-Ordnung ist, zeigt der geplante und bereits laufende Aufbau einer Euro-Armee, die nicht zur Verteidigung gedacht ist, weil ja niemand Europa angreift, sondern zur Sicherung „unserer" Interessen in aller Welt sowie zur Bekämpfung eines inneren Aufstands, mit dem z.B. in der Folge der Privatisierungen wohl schon gerechnet wird. Schließlich war und ist dies doch im Süden schon längst der Fall. Er wird dort zynisch „der IWF-Aufstand", also der zu erwartende Aufstand der Bevölkerung gegen die Spar- und Priviatisiertungspolitik des Internationalen Währungsfonds, genannt. Solche Aufstände werden dann als „terroristische Akte" definiert (werden), um sie durch den neuen „gerechten" Krieg gegen den Terrorismus bekämpfen zu können, wofern das GATS zur Kriminalisierung seiner Gegner nicht ausreichen sollte, ist doch darin die Einschränkung der Rechte der Konzerne illegal.

Zusammengefaßt: Wir haben es hier und heute mit einer bewußten Kolonisierung und Unter-Entwicklung auch im Norden bzw. Westen und einem Ende der Demokratie in allen Ländern der Erde zu tun.

Die entsprechende Politik kommt daher im Gewand von Sparpaketen, Sozialabbau, schafft Armut und Ausgrenzung, bringt Oligarchen an die Macht und einen historisch bisher unbekannten „monetären Totalitarismus" in die Welt, wie es das GATS darstellt. Der „Subkommandante" Marcos von den indianischen Aufständischen gegen die Politik des Neoliberalismus, den Zapatisten von Chiapas in Mexico, hat den Liberalismus daher nicht nur - im Gegensatz zu seinem Namen - als Zwangssystem, sondern sogar als neuen "liberalen Faschismus" bezeichnet.

Eins ist noch zu sagen zum 11. September 2001: Er wird immer als Rechtfertigung für die beschleunigt vorangetriebene Politik der Errichtung einer Neuen-Welt-Ordnung durch Krieg genommen. Ich muß daran erinnern, daß Michel Chossudovsky ein Buch darüber geschrieben hat, nämlich "War and Globalisation. The thruth behind september 11". In diesem Buch zeigt er auf, daß alle Daten im Zusammenhang mit dem 11. September darauf hinweisen, daß der Terrorismus gerade von denen begangen wurde, die heute den Krieg gegen ihn predigen. Das heißt, die US-amerikanische Regierung hat aller Wahrscheinlichkeit nach diesen Terrorakt selbst organisiert, um eine öffentliche Akzeptanz für den Krieg nach außen und im Inneren zu schaffen.

Ich möchte das endlich einmal in die Diskussion werfen, weil viele Leute diese Möglichkeit und die Konsequenzen daraus immer noch nicht zur Kenntnis nehmen. Politik mit dem Terror, Terror als Politik würde das Bild der Entstehung der Neuen- Welt-Ordnung nur noch abrunden.

Der Neoliberalismus kippt in den Krieg als dem Recht des Stärkeren überall auf der Welt, sei es auf der Ebene der "low-intensity-„, also der „niedrig intensiven", wie auf der der" high-intensity-war-fare",also der „hoch intensiven" Kriegführung, wie das in der Fachsprache heißt (-"high-intensity-" ist allerdings von mir erfunden). Nach Paul Virilio geht es den Herrschenden um die Schaffung des Zustands des „reinen Krieges", nämlich eines Dauerkrieges mitten im Alltag, der alles Zivile und damit alles Demokratische, Zivilisierte, Humane und Lebensfreundliche aus der Gesellschaft verbannt, - also sozusagen aus allen Gesellschaften militarisierte, entzivilisierte - un -zivilisierte - Gesellschaften macht.

Ich halte die mit „Wirtschaft" und Krieg erzwungene Durchkapitalisierung allen Lebens für eine neue Große Transformation &endash; „the great transformation" nach Karl Polanyj - , aber nach Robert Kurz auch für ein Mord- und ein Selbstmordprogramm, das auf die Dauer nicht durchführbar ist. Es wird längerfristig, wahrscheinlich schon mittelfristig scheitern.

So finde ich es zum Beispiel sehr interessant, daß der Krieg als Modell für die Zukunft der Neuen Welt-Ordnung auch gleichzeitig das Modell der Vergangenheit ist, nämlich der Entstehung des Patriarchats vor 5000 Jahren eben im Irak. Dort ist nämlich damals das entstanden, was wir heute überhaupt als Krieg bezeichnen: Invasion, Okkupation, Aneignung von Ressourcen und Verbrauch zu Gunsten einiger weniger sowie totale Abhängigkeit der meisten. Es ist, als würde die im alten Mesopotamien oder Zweistromland, dem heutigen Irak, nach der Eroberung vor 5000 Jahren erfundene sog. „Orientalische Despotie" oder „Asiatische Produktionsweise", kurz APW - als einer, die auch mit einer Art zentralen Wasserverwaltungswirtschaft operierte - gerade heute neu erfunden, nämlich als „Amerikanische Produktionsweise", auch APW, bzw. als „Amerikanische Despotie." Damit kommt die Entwicklung an ihrem Ende an ihren historischen Ausgangspunkt zurück.

Ich halte die Kurzfristigkeit der Perspektive dieser Politik für maßgeblich für ihr kommendes Scheitern. Denn es geht ihr allein um die Kapitalverwertung einiger weniger, die Angst haben, daß ihr Geld "verdunstet", wie Marx sagt, wenn es nicht profitabel angewendet werden kann. Man kann aber auf die Dauer keine Politik betreiben, die ausschließlich einigen Wenigen nützt und auf die Mehrheit lediglich mit Gewalt reagiert. Das hat die Geschichte immer wieder bewiesen. Dabei zeigt die absolute Priorität der Kapitalverwertung auch auf, daß die kapitalistische Wirtschaft im Prinzip an ihr Ende gekommen zu sein scheint und auch der sog. „Fortschritt" dieses Systems eine Lüge war, denn sonst gäbe es solche enormen Verwertungsprobleme nicht.

Es stehen daher, wenn wir über Alternativen nachdenken, nicht nur 500 Jahre Kapitalismus, sondern 5000 Jahre Patriarchat in Frage. Die Zeit dieser Gesellschafts-„Ordnung", die sich im Kapitalismus womöglich in ihrer letzten Phase befindet, ist gerade wegen der Globalisierung, die die unüberwindbare Endlichkeit des Globus aufzeigt, ihrem Ende nahe. Die Methoden, die angewandt werden, funktionieren selbst für ihre Nutznießer letztlich immer weniger und nur noch unter Zurhilfenahme eines großen Aufwands an Gewalt und münden noch dazu in eine allgemeine Annihilation des schließlich Akkumulierten, also in dessen durchgehende Vernichtung.

Indem dies aber gesehen werden kann, ist das kapitalistische Patriarchat geistig schon Vergangenheit. Es ist durchschaut, und die Menschen fallen bereits vom Glauben ab. Unsere Religion, unser "Glaube" ist der an die Gewalt. Nach Gandhi ist die Gewalt aber immer eine Lüge - die Wahrheit ist gewaltfrei.

So frage ich mich, was Gandhi gesagt hätte zur Tatsache, daß inzwischen auch das Wasser von "Mother Ganga", also dem Heiligen Ganges in Indien, verkauft werden soll, nämlich an die Firma Suez aus Frankreich. "Killing the Ganga" nennt das Vandana Shiva. Für die Menschen in Indien heißt dies, daß inzwischen des Profits wegen auch die eigene Mutter verkauft und ermordet werden soll..

Dieses Beispiel zeigt, wo wir wirklich sind, was tatsächlich der Fall ist, und was wir deshalb zu tun haben. Denn wir müßten nun eigentlich unser verfassungsmäßig garantiertes Widerstandsrecht in Anspruch nehmen, öffentliche Räume wieder zurückerobern und insbesondere die Frauen zur allgemeinen Arbeitsniederlegung, zum „Frauenstreik", aufrufen. Denn das würde &endash; wie schon einmal in Island 1975 &endash; zeigen, daß ohne die Frauen nichts läuft &endash; auch keine Globalisierung, keine „Wirtschaft" und kein Krieg.

Paul Virilio sagt: "Echte Zivilisten haben keine Angst", und wir sind die Zivilgesellschaft der Welt. Aber wir müssen klarer, glasklar, werden, uns vermehrt zusammenschließen und uns nicht spalten lassen. Wir haben die Wahrheit der Geschichte, der Zukunft der Welt und der Natur auf unserer Seite und alle guten Geister dazu!

 

siehe auch: Was passiert, wenn Frauen nichts mehr tun? Frauenstreik - das letzte Mittel gegen GATS von Claudia von Werlhof (pdf-Datei)

Univ.Prof. Dr. Claudia von Werlhof ist Professorin für Frauenforschung am Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck. Sie lebte und forschte jahrelang in Übersee, insbes. Lateinamerika, und arbeitet an einer feministischen Gesellschaftstheorie des Patriarchats und seiner kapitalistischen Variante sowie den Alternativen dazu.

 

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Emanzipation Humanum, Version 7. 2003, Kritik, Anregungen zu Form und Inhalt, Dialog sowie unveränderter Nachdruck bei Quellenangabe und Belegexemplar erwünscht. Übersetzung in andere Sprachen erwünscht. Kürzungen und Änderungen nach Absprache möglich.

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