Politische
Parteien am Ende
-
Was kommt jetzt?
von
Wolfgang Fischer
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englisch
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Gedanken,
ausgelöst durch die Betrachtung eines SPD -
Werbeplakats [hier]
unter Verwendung folgender Darstellung:

Erste
Landung des Kolumbus (Guanahani, 12.Oktober 1492) -
Kupferstich von Theodor de Bry (1528-1598),
Photo:
AKG
Berlin
So
farblich reizvoll die Darstellung der sich ihren
zukünftigen Beherrschern und Mördern freundlich
nähernden Eingeborenen auf dem Werbebild der
Sozialdemokratischen Partei Deutschlands auch sein mag, so
geschmacklos unüberlegt und auf westliche Sicht
beschränkt ist die Botschaft (SPD vergleicht Aufbruch
ins Internet-Zeitalter mit der Entdeckung der Neuen Welt
durch Kolumbus): erinnert der Kupferstich doch an den Beginn
eines 500-jährigen Leidens der indigenen
Urbevölkerungen aller Erdteile. Die Geschichte nicht
nur der letzten 500 Jahre baut ihre Fundamente auf Folter,
Vergewaltigung, Rassismus, auf offener und subtiler Gewalt
auf, was sich auf Frauen besonders hart ausgewirkt hat. Denn
eines der Hauptziele des kolonialen Terrorismus bestand
darin, daß Frauen sich mit der durch Vergewaltigung
aufgezwungenen Mutterschaft identifizieren
mußten.
Vor
dem Hintergrund des sich allmählich durchsetzenden
Eingeständnisses historischer Fehltritte im Rahmen der
Menschheitsgeschichte - selbst der Papst fühlt sich im
Trend - sollte ein solches Bild nicht als symbolisches
Werbeplakat für den Aufbruch in eine neue Ära
fungieren können. Mehr Feingefühl ist hier gefragt
und auch mehr Bewußtheit im Umgang mit historischen
Tatsachen.
Vor
der Aktualität enthüllter und entlarvender
Details
der seinerzeits als besonders human" gepriesenen
Kolonialgrausamkeit des belgischen Königshauses in
Afrika sollte gerade uns Europäern der generelle
historische Fehltritt in seiner fatalen Dimension für
die beherrschten Völker bewußt werden. Im Sinne
eines tatsächlichen Begreifens und emotionalen
Verstehens der historisch angehäuften Schuld sollten
die großen Industriennationen erkennen, daß ein
Großteil ihrer Entwicklung hin zum industriellen
Reichtum und technologischen Vorsprung nicht zuletzt auf dem
Boden geraubter Goldschätze, ausgebeuteter Menschen und
gestohlener Ressourcen möglich wurde. Die Tradition
dieser Entwicklung - auch Zivilisation genannt - setzt sich
bis heute vor allem auf Kosten der Frauen und ihrer Kinder
aus den unteren Schichten peripherer Länder fort, wie
die weltweite Feminisierung der Armut, bzw. die
Feminisierung der sozialen Verantwortung deutlicher als je
zuvor zeigt.
Wenn
das Bild als Anreiz zum Aufbruch in ein neues Zeitalter
dienen soll, dann können wir uns alle auf nichts Gutes
gefaßt machen! Solange ein solches Bild nicht als
Symbol des Beginns historischer Fehlentwicklungen und
Grausamkeiten betrachtet wird, mangelt es ganz
offensichtlich an der Verantwortungsbereitschaft oder
-fähigkeit dafür, Schuld einzugestehen und wieder
gut zu machen.
Ohne
diese Bereitschaft bleibt der Weg zur Entwicklung einer
umfassenden Gerechtigkeit verbaut, die Konfliktpotentiale
bleiben bestehen. Sie werden vielmehr dadurch noch
verstärkt, daß in Deutschland selbst die SPD, um
die Gunst des Kapitals buhlend, auf den Zug des
Neoliberalismus aufgesprungen ist. Geblendet von
vermeintlichen Erfolgen seines britischen Pendants, merkt
der deutsche Kanzler Schröder nicht, daß dieser
Zug für die Mehrheit der Menschen rückwärts
fährt. Denn, auf dieser Fahrt wurden und werden Tag
für Tag hart erkämpfte soziale Errungenschaften
der letzten 100 Jahre als Ballast abgetan, verkauft oder
ganz einfach über Bord geworfen, die überwiegend
für die lohnabhängigen Arbeiter gedacht waren und
für sie durchgesetzt wurden. Wenn auch Frauen in den
Genuß solcher sozialen Errungenschaften kamen, dann
meist nur als vom liberalen Bürger respektive dem
sozialistischen Proletarier abhängige Variable.
Das
Primat der Politik opfert der Ertragssteigerung des Kapitals
die soziale und ökologische Unversehrtheit. Es betreibt
offenen Genozid, da die Mehrheit der globalen
Bevölkerung durch Hunger und Beraubung in den langsamen
aber sicheren Tod abtreibt. Eine solch perverse Entwicklung,
auch noch von sozialdemokratischen Regierungen getragen,
bringt die Lügen der Politik offen ans
Licht.
Der
Verrat am eigenen Programm ist bei den deutschen
BündnisGrünen nicht minder verwerflich. Er ist
ungeheuerlich angesichts der alleinigen Motivation der
Pfründeerhaltung.
Parteien,
so scheint uns die jüngste Geschichte auch der
Parteispendenskandale unmißverständlich lehren zu
wollen, können wohl nicht mehr als Hoffungsträger
fortschrittlich gestalteter Politik angesehen
werden.
Aus
deren Affinität zur Machterhaltung un -potenzierung auf
Kosten einer durch schwindende Autonomie des einzelnen
liberalen Bürgers wie auch sozialdemokratischen
Proletariers sterbenden Demokratie wird klar, daß sie
ihre historische wie auch verfassungsgemäße
Aufgabe verfehlt haben und die Menschen, vor allem die
Frauen, sich aus Betroffenheit selbst um alternative
politische Organisations- und Artikulationsformen
bemühen müssen.
Daher
die Notwendigkeit neuer Organisationsformen einer
Zivilgesellschaft. Regierungen jedweder Richtung verwenden
kaum noch Energie darauf, Schaden vom Bürger
abzuhalten, im Gegenteil, sie haben sich darauf
spezialisiert, dem Kapital die Hindernisse aus dem Weg zu
räumen, die das wie auch immer definierte Gemeinwohl
vor der Unersättlichkeit des Mammons schützen
sollten.
Kriege
werden heute dank der Massenmedien wie Theaterstücke
inszeniert, sie werden gar als humanitär betitelt und
sollen zur der Rettung der Kultur geführt werden. Um
dem Privateigentum zu dienen, wird die Wahrheit auf den Kopf
gestellt. Es wird offen gelogen, manipuliert und betrogen:
bereitwillig werden pro Kriegstag Unsummen verbombt. Die
Waffenindustrie schwelgt im Freudentaumel, der so genannte
Wiederaufbau gehört zur Logik der Gewinnmaximierung, er
scheint immanenter Teil der Strategie des Privateigentums zu
sein.
Dieser
Politik des Todes und der Zerstörung ist eine
Lebensphilosophie entgegenzusetzen! Jeder wache und
lebensorientierte Mensch ist dazu aufgerufen, Widerstand in
einem politischen System zu leisten, das ganz offensichtlich
und sehr leicht nachprüfbar die Interessen des Kapitals
vor die Notwendigkeiten eines friedlichen sozialen
Zusammenlebens stellt. Angesichts dieser Tatsache gewinnt
die u.a. von der feministischen Politikwissenschaftlerin
Claudia
v. Werlhof
geforderte dissidente Geisteshaltung um so mehr an
Bedeutung. Diese dissidente Geisteshaltung besteht vor allen
Dingen in einer aktiven politischen Kultur, die
antipatriarchal, also herrschaftslos
ist.
Sie
wird von herkömmlicher Politik (divide et impera! -
teile und herrsche!), Religion und Tradition gepflegte
Spaltungen zugunsten einer Ganzheitlichkeit und wahren
Menschlichkeit überwinden.
In
diesem Zusammenhang bietet sich tatsächlich eine
wirklich positive Möglichkeit des Internets in der
schnellen und breiten Bereitstellung von Informationen
jenseits des finanzgesteuerten mainstreams. Solcherart
Informationen, die in den tagtäglichen Medienmaschinen
verschwiegen werden, können dazu führen, ein
qualitativ herrschaftsloses Denken und ein umfassenderes
Bewußtsein der Verantwortung für Mitmensch,
Umwelt und Zukunft zu fördern.
Die
Kultur der Zukunft wird durch horizontales Vernetzen eine
Atmosphäre schaffen müssen, in der Alternativen
zur gegenwärtig trostlos erscheinenden
Zukunftsperspektive aufblühen können. Über
die Waagerechte wird sich dann über alle Kontinente
hinweg ein solidarisches Füreinander und Miteinander
entwickeln, welches das global vernichtend wirkende
Gewinnspiel "Mach-Dich-zu-Geld" allein durch bewußten
Entzug der unterstützenden Teilnahme
beendet.
Die
Geschenke der Natur werden von uns in diese Natur
Hineingeborenen auf das Wohl auch zukünftiger
Generationen achtend genutzt. So wie die Natur ihre eigenen
Gesetze nutzt, um beispielsweise das Wasser von der Tiefe
des Erdreichs bis hinauf in die Blattkronen der Baumriesen
zu pumpen, genauso kann die Weltgesellschaft ihre
technologischen Möglichkeiten und Errungenschaften zum
Wohle aller nutzen, sobald wir diese von ihrem vielfach
destruktiven Potential zugunsten innewohnender
Hilfestellungen durch Befreiung vom Zwang zum Profit
erlöst haben werden.
Prägung des Arbeitsmarktes durch
Informationsgesellschaft im Spiegel v. 13.3.00, S. 142 - 143

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Beiträge: http://emanzipationhumanum.de/deutsch/titel.html#1
Adam
Hochschild, Plünderung Afrikas, Schatten
über dem Kongo, Die Geschichte eines der großen,
fast vergessenen Menschheitsverbrechen, Klett Cotta
Rosa Amelia Plumelle-Uribe, Weisse
Barbarbei, Vom Kolonialrassismus zur Rassenpolitik der
Nazis,
Rotpunkt 2004
Haltung
zu Afrika ein Verbrechen
Die
britische Sonntagszeitung "The Observer" schreibt zum
Ergebnis der Afrika-Debatte im Kreis der G8 vom Juni 02
(zit. aus FAZ v. 1.7.):
"Mehr
als 300 Millionen Menschen leben auf der Welt von mehr oder
weniger einem Dollar pro Tag. Ebenso wichtig wie
Schuldenerlaß und Hilfsangebote, die an gutes Regieren
geknüpft sind, ist für diese Menschen das Recht,
fairen und freien Handel betreiben zu dürfen. Wenn ihre
Läden mit billigen Produkten stark subventionierter
amerikanischer Farmer oder den unerwünschten
Überschüssen der nach wie vor nicht reformierten
EU-Agrarpolitik überschwemmt werden, dann ist es extrem
verlogen, ihnen Ratschläge dafür zu geben, wie sie
ihre Wirtschaft zu restrukturieren, die Korruption
beseitigen und ihre Märkte für noch mehr Multis
öffnen müssen. Das wichtigste Zugeständnis,
das wir machen können, betrifft den Handel - und zwar
durch die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen, mit
denen Afrikanern eine Chance gegeben wird, sich durch eigene
Anstrengungen aus dem Sumpf zu ziehen. Sogar das versucht
der Westen zu verhindern. Das Ausmaß der derzeitigen
Ungleichheit ist so groß, daß wir dieses
Zugeständnis kaum bemerken würden. Unsere
Handlungsunfähigkeit ist ein Verbrechen. Nichts
weniger."
In
Afrikas Wäldern tobt ein verdrängter
Krieg,
Der aktuelle Report aus dem grünen Herzen des schwarzen
Kontinents (23. 3 2004), von Ruedi Suter
Afrika
im Fadenkreuz - Vom vergessenen Kontinent zum Objekt der
Begierde,
IMI-Analyse 2004/012 von Jürgen Wagner (5.2004)
(pdf-format)
Am
5. Juni 2008 haben die Innenminister der
Europäischen Union (EU) eine Verschärfung der
bisher bestehenden Regelungen zur Abschiebung der von
Schäuble & Co. nicht mehr erwünschten
ImmigrantInnen beschlossen.Nach den neuen Regeln
können Ausländer ohne gültige
Aufenthaltserlaubnis künftig EU-weit für
maximal 18 Monate in Abschiebehaft genommen werden. Das
entspricht bereits der deutschen Regelung, in zwei
Dritteln der EU-Staaten gelten bislang kürzere
Haftzeiten. Außerdem sieht die Richtlinie vor, dass
Wiedereinreiseverbote, die ein Mitgliedsstaat
verhängt, künftig in allen EU-Staaten gelten.
Der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Peter
Altmeier, äußerte in bemerkenswerter
Offenheit: "Die Abschiebungen von denen, die wir
loswerden wollen, (werden) in Zukunft erleichtert".
Weniger positiv sieht Boliviens Präsident Evo
Morales den weiteren Ausbau der Festung Europa. In
einer heute von der bolivianischen Botschaft in Berlin
verbreiteten Erklärung erinnert Evo daran, dass in
vergangenen Jahrzehnten zahllose Europäer in den
Ländern Lateinamerikas Zuflucht gefunden haben und
wirft den EU-Innenministern vor, die Allgemeine
Erklärung der Menschenrechte zu verletzen. Evo
Morales droht mit einem Abbruch der Verhandlungen
zwischen der EU und der Andengemeinschaft, falls die
Abschiebe-Richtlinie in Kraft tritt, und behält sich
vor, dass Bolivien die im vergangenen Jahr von der EU
eingeführte Visapflicht für Bolivianer
seinerseits für EU-Bürger einführen
könnte.
RedGlobe
dokumentiert
nachstehend diese wichtige Erklärung des
bolivianischen Präsidenten im Wortlaut.
Evo
Morales verurteilt Abschiebe-Politik der EU:
"Dokument
der Schande"
Evo
Morales Ayma, Präsident der Republik
Bolivien
Bis
Ende des Zweiten Weltkrieges war Europa ein Kontinent der
Emigration. Dutzende Millionen Europäer gingen nach
Amerika, als Kolonisten, auf der Flucht vor Hunger,
Finanzkrisen, Kriegen oder vor den europäischen
totalitären Regimen und der Verfolgung ethnischer
Minderheiten.
Heute
verfolge ich mit Besorgnis die Verhandlung der sogenannten
"Abschiebe-Richtlinie". Der Text, am 5. Juni durch die
Innenminister der 27 Länder der Europäischen Union
in Kraft gesetzt, soll am 18. Juni im Europäischen
Parlament zur Abstimmung stehen. Ich bin sicher, dass er auf
drastische Weise die Voraussetzungen für die
Inhaftierung und Ausweisung der Migranten ohne Papiere
verschärft, wie lange sie sich auch schon in den
europäischen Ländern aufhalten mögen und
ungeachtet ihrer Arbeitssituation, ihrer familiären
Beziehungen, ihres Integrationswillens und ihrer
Integrationsfortschritte.
In
die Länder Lateinamerikas und nach Nordamerika
gelangten die Europäer in Massen, ohne Visa und ohne
Bedingungen, die ihnen von den Behörden gestellt
wurden. Sie waren stets willkommen und sie sind es weiterhin
in unseren Ländern des amerikanischen Kontinents, die
damals das wirtschaftliche Elend Europas und seine
politischen Krisen aufgenommen haben. Sie kamen auf unseren
Kontinent, um Reichtümer auszubeuten und nach Europa zu
schicken, und das hatte einen hohen Preis für die
Urbevölkerungen Amerikas, wie im Falle unseres Cerro
Rico (Reicher Berg) von Potosí und seiner
berühmten Silberminen, die dem europäischen
Kontinent seit dem 16. bis zum 19. Jahrhundert
Münzmaterial lieferten. Die Person, die Güter und
die Rechte der europäischen Migranten wurden immer
respektiert.
Heute
ist die Europäische Union das Hauptziel der Migranten
der Welt, und das auf Grund ihres positiven Rufes als ein
Bereich von Prosperität und öffentlichen
Freiheiten. Die große Mehrheit der Migranten kommen in
die EU, um zu dieser Prosperität beizutragen, nicht um
sich ihrer zu bedienen. Sie üben Beschäftigungen
aus bei den öffentlichen Arbeiten, beim Bau, in den
persönlichen Dienstleistungen und Krankenhäusern,
die die Europäer nicht ausüben können oder
wollen. Sie tragen bei zu der demographischen Dynamik des
europäischen Kontinents, zur Aufrechterhaltung des
notwendigen Verhältnisses zwischen aktiven und passiven
Arbeitskräften, das seine großzügigen
sozialen Systeme möglich macht, und dynamisieren den
inneren Markt und den sozialen Zusammenhalt. Die Migranten
bilden eine Lösung für die demographischen und
finanziellen Probleme der EU.
Für
uns stellen unsere Migranten eine Hilfe zur Entwicklung dar,
die uns die Europäer nicht geben - da ja nur wenige
Länder tatsächlich das Minimalziel von 0,7% ihres
BIP für die Entwicklungshilfe erreichen. Lateinamerika
erhielt 2006 68 Mrd. Dollar Geldüberweisungen von
Migranten, das ist mehr als die Gesamtheit der
ausländischen Investitionen in unseren Ländern. In
der gesamten Welt erreichen diese
Rücküberweisungen 300 Mrd. Dollar, sie
übersteigen die 104 Mrd. Dollar, die als
Entwicklungshilfe gewährt werden. Mein eigenes Land,
Bolivien, empfing mehr als 10% seines BIP in
Migrantenüberweisungen (1,1 Mrd. Dollar) oder ein
Drittel unserer jährlichen Gasexporte. Das heißt
die Migrantenflüsse sind von Vorteil vor allem für
die Europäer und nur marginal für uns in der
Dritten Welt, da wir Millionen unserer qualifizierten
Arbeitskräfte verlieren, in die unsere Staaten, obwohl
sie arm sind, auf die eine oder andere Weise menschliche und
finanzielle Ressourcen investiert haben.
Leider
kompliziert die "Abschiebe-Richtlinie" diese Realität
in erschreckender Weise. Wenn wir davon ausgehen, dass jeder
Staat oder jede Staatengruppe ihre Migrationspolitik in
voller Souveränität definieren kann, können
wir nicht akzeptieren, dass unseren Mitbürgern und
lateinamerikanischen Brüdern die Grundrechte der
Menschen verweigert werden. Die "Abschiebe-Richtlinie" sieht
die Möglichkeit der Einkerkerung der Migranten ohne
Papiere bis zu 18 Monate vor ihrer Ausweisung vor - oder
ihrer "Entfernung", wie der Terminus der Direktive lautet.
18 Monate! Ohne Urteil und Gerechtigkeit! So wie der Entwurf
des Textes der Richtlinie heute ist, verletzt sie eindeutig
die Artikel 2,3,5,6,7,8 und 9 der Allgemeinen Erklärung
der Menschenrechte von 1948.
Im
einzelnen besagt der Artikel 13 dieser
Erklärung:
1.
Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu
bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu
wählen.
2. Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich
seines eigenen, zu verlassen und in sein Land
zurückzukehren.
Und
was das Schlimmste ist, es besteht die Möglichkeit,
Familienmütter und Minderjährige, ohne ihre
familiäre oder schulische Situation zu
berücksichtigen, in diesen Internierungszentren
einzusperren, in denen es, wie wir wissen, zu Depressionen,
Hungerstreiks, Selbstmorden kommt. Wie können wir, ohne
darauf zu reagieren, akzeptieren, dass Mitbürger und
lateinamerikanische Brüder ohne Papiere, von denen die
große Mehrheit seit Jahren dort gearbeitet und sich
integriert haben, in Lagern konzentriert werden? Auf welcher
Seite besteht heute die Pflicht zu humanitärer
Einmischung? Wo ist die "Bewegungsfreiheit", der Schutz
gegen willkürliche Haft?
Parallel
dazu versucht die Europäische Union die Andine
Gemeinschaft der Nationen (Bolivien, Kolumbien, Ekuador und
Peru) davon zu überzeugen, ein "Assoziierungsabkommen"
zu unterzeichnen, das als seinen dritten Pfeiler einen
Freihandelsvertrag einschließt, von gleichem Charakter
und Inhalt wie die, die die Vereinigten Staaten aufzwingen.
Wir stehen unter intensivem Druck der Europäischen
Kommission, Bedingungen der vollständigen
Liberalisierung
im
Handel, in den Finanzdienstleistungen, beim intellektuellen
Eigentum und in unseren öffentlichen Diensten zu
akzeptieren. Außerdem bedrängt man uns unter dem
Vorwand des "juristischen Schutzes" wegen der Nati
onalisierung von Wasser, Gas und Telekommunikation, die wir
am Internationalen Tag der Werktätigen vorgenommen
haben. Ich frage in diesem Fall: Wo ist die "juristische
Sicherheit" für unsere Frauen, unsere Jugendlichen,
Kinder und Werktätigen, die in Europa bessere
Aussichten suchen? Die Freiheit der Warenbewegungen und der
Finanzzirkulation fördern, während wir
demgegenüber Gefängnis ohne Urteil für unsere
Brüder sehen, die sich frei zu bewegen versuchten ...
Das heißt die Grundlagen der Freiheit und der
demokratischen Rechte negieren.
Unter
diesen Umständen, wenn diese "Abschiebe-Richtlinie"
verabschiedet wird, stehen wir vor der ethischen
Unmöglichkeit, die Verhandlungen mit der
Europäischen Union zu vertiefen, und wir behalten uns
das Recht vor, für die europäischen Bürger
die gleichen Visapflichten festzulegen, die sie den
Bolivianern seit dem 1. April 2007 auferlegen, entsprechend
dem diplomatischen Prinzip der Reziprozität. Wir haben
es bisher nicht wahrgenommen, weil wir auf günstige
Signale von der EU gehofft haben.
Die
Welt, ihre Kontinente, ihre Ozeane und ihre Pole stecken in
bedeutenden globalen Schwierigkeiten: die globale
Erwärmung, die Verschmutzung, das langsame, aber
sichere Zuendegehen der energetischen Ressourcen und der
Biodiversität, während Hunger und Armut in allen
Ländern anwachsen und unsere Gesellschaften
schwächen. Aus den Migranten, ob mit oder ohne Papiere,
die Sündenböcke für diese globalen Probleme
zu machen ist keine Lösung. Es hat keine Entsprechung
in der Realität. Die Probleme des sozialen
Zusammenhalts, unter denen Europa leidet, sind nicht Schuld
der Migranten, sondern Ergebnis des durch den Norden
aufgezwungenen Entwicklungsmodells, das den Planeten
zerstört und die Gesellschaften der Menschen
zerstückelt.
Im
Namen des Volkes von Bolivien, aller meiner Brüder auf
dem Kontinent und in Regionen der Erde wie dem Maghreb und
den Ländern Afrikas richte ich einen Appell an das
Gewissen der führenden europäischen Politiker und
Abgeordneten, der Völker, Bürger und aktiven
Kräfte Europas, die "Abschiebe-Richtlinie" nicht zu
verabschieden. So wie sie uns heute vorliegt, ist es eine
Direktive der Schande.
Ich
appelliere auch an die Europäische Union, in den
nächsten Monaten eine Migrationspolitik zu erarbeiten,
die die Menschenrechte respektiert, die es ermöglicht,
diese vorteilhafte Dynamik zwischen den beiden Kontinenten
zu erhalten und ein für allemal die gewaltigen
historischen, wirtschaftlichen und ökologischen
Schulden wiedergutzumachen, die die Länder Europas
gegenüber einem großen Teil der Dritten Welt
haben, und die immer noch offenen Adern Lateinamerikas
für immer zu schließen. Sie dürfen heute mit
ihrer "Integrationspolitik" nicht versagen, wie sie mit
ihrer angeblichen "zivilisatorischen Mission" in der Zeit
der Kolonien gecheitert sind.
Nehmen
Sie alle, Regierungsvertreter, Europarlamentarier,
Compañeras und Compañeros, brüderliche
Grüße aus Bolivien entgegen. Und ganz besonders
unsere Solidarität mit allen "Illegalen".
Quelle:
Botschaft
der Republik Bolivien
/ RedGlobe
Emanzipation
Humanum,
Version 6. 2008, Kritik, Anregungen zu Form und Inhalt,
Dialog sowie unveränderter Nachdruck bei Quellenangabe
und Belegexemplar erwünscht. Übersetzung in andere
Sprachen erwünscht. Kürzungen und Änderungen
nach Absprache möglich.
http://emanzipationhumanum.de/deutsch/politik4.html
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