Rede zum Streiktag der Universität Innsbruck am 24.04.2002 Claudia von Werlhof ( pdf.version ) 1. Es hätte so schön sein können mit einer Universitätsreform! Sie hätte uns dabei helfen können, die Universitäten in blühende Landschaften zu verwandeln. Wir hätten beginnen können, zu erforschen, was wir heute und in Zukunft wirklich brauchen: eine gewaltfreie Wissenschaft, eine natur-, frauen-, kinder-, alten-, tier-, pflanzen-, menschen-, lebensfreundliche, eine fröhliche Wissenschaft. Wir hätten dabei kooperativ, demokratisch und unbehelligt von äußeren Zwängen arbeiten können. Wir hätten die Vielfalt der Begabungen entfalten und das Bestmögliche daraus entstehen lassen können. In einem solchen Klima wären große Leistungen möglich und alle Leistungen würden ihre Anerkennung finden, die wissenschaftlichen ebenso wie die nicht ganz so wissenschaftlichen. Die Öffentlichkeit würde stolz sein auf ihre Universität und von überallher würden die Menschen ihre Kinder gern dorthin schicken. Denn die Universität wäre eine echte Alma Mater. BSE für immer Ade! Das wäre Weltniveau!
2. Was aber geschieht stattdessen? Es geschieht das absolute Gegenteil. Ohne sichtbaren Grund und gegen den erklärten Willen aller Betroffenen will das Universitätsgesetz 2002 - alle Entscheidungen einer winzigen Gruppe von gerade universitätsfremden Personen überlassen, insbesondere Politikern und Wirtschaftsbossen Dies ist ein Terror-Anschlag auf die Universität! Ein Attentat, eine Kriegserklärung, ein Putschversuch! Zum Hohn soll die Universität ihre Zerschlagung auch noch selbst durchführen. Obszönerweise verlangt man von uns, dass wir im vorauseilenden Gehorsam - wie schon einma - uns freiwillig selber abschaffen, und dass wir uns von allem angeblich Überflüssigen "säubern", so als hätte die Neutronenbombe eingeschlagen: Die Gebäude bleiben, aber alles Leben ist aus ihnen gewichen. Der Mechanismus dafür ist die sogenannte Evaluation, in der wir uns bereits befinden. Die Evaluation ist die Grundlage der Universitätsreform. Ohne sie geht nichts. Wir sollten also als Allererstes diese Art von Evaluation verweigern. Denn sie dient unserer Gleichschaltung, der Vernichtung unserer Arbeit und unserer Entmündigung. Angesichts eines derartigen neuen Ungeistes ist ein "prophylaktisches sich Fürchten" &endash; wie Frau Gehrer spottet &endash; allerdings angesagt, mehr noch: Panik ist angesagt! Denn: Es soll uns nie gegeben haben... Warum?
3. Wie ist die vollkommene Irrationalität des Universitätsgesetzes zu erklären? Des Rätsels Lösung ist: Die Universität soll autoritär wie ein Konzern organisiert werden, damit das Projekt der weltweiten Öffnung des Bildungssektors für die global operierende private Bildungsindustrie widerstandslos vonstatten gehen kann! Dieses Projekt gehört zur WTO, zur Welthandelsorganisation, und trägt den Namen GATS, allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen. Das GATS sieht für die nächsten Jahre eine "progressive Liberalisierung" vor, und zwar der Sektoren Bildung und Gesundheitswesen &endash; daher der Amputationsversuch der Medizinischen Fakultät! &endash; sowie u.a. des Transports, der Energie und der Wasserversorgung. (Auch das Tiroler Wasser wird bereits zum Verkauf verplant!) Von Juni 2002 bis März 2003 wird die österreichische Bundesregierung bei der EU-Kommission deponieren, welche Dienstleistungsbereiche sie als nächstes zu öffnen vorhat. Wußten Sie etwas davon? Nein, denn diese Politik ist geheim. Sie besteht darin, die RES PUBLICA, die öffentlichen Angelegenheiten, in eine RES PRIVATA, eine privat angeeignete Angelegenheit zu verwandeln. So soll die Re-pub-lik dem globalen Kolonialismus neototalitärer Konzernherrschaft geopfert werden. Es hat also nicht Frau Gehrer das Universitätsgesetz erfunden, sondern sie ist die schamlose Erfüllungsgehilfin ganz anderer Interessen, denen niemand von uns zugestimmt hat und zu deren Realisierung sie von niemandem gewählt wurde! Schließlich ging die Privatisierung der Dienstleistungsbereiche vom US-Dachverband der Dienstleistungsindustrien aus. Er hat sie gefordert und in Gang gesetzt. Das ist der Grund, warum die Universitätsreform sich keineswegs um die Wissenschaft oder gar um die Interessen der in der Wissenschaft tätigen Menschen kümmert. Denn es geht um die Zurichtung, vielmehr die Hinrichtung des Bildungsbereichs zum Zwecke seiner privaten Übernahme. Bildung soll eine beliebige globale Handelsware werden wie z.B. T-Shirts. Denn sie hat weltweit einen geschätzten jährlichen Dollarwert von 1,5 bis 2 Billionen. Das reizt die Gier der Konzerne. Also sollen wir verkauft werden, und zwar in die Sklaverei! Jedoch nur das, was von uns dann noch übrig geblieben ist. Denn die Evaluation soll alles Unprofitable, Unverwertbare und Unverkäufliche beseitigen, also z.B. sogenannte Orchideenfächer, die Frauenforschung, große Bereiche der Geistes- und Sozialwissenschaften und vor allem alle unbequemen und kritischen Wissenschaften, die in den letzten Jahrzehnten weltweit überall entstanden sind. Die verbliebenen "Gustostücke" einer heute sogenannten "big science" werden dann den Bildungsinvestoren offeriert: z.B. Gen- und Biotech, Computertech, Informatik und noch ein bisschen Naturwissenschaft samt einer angepassten Wirtschafts- und Sozial-Instant-Wissenschaft. Dem gesamten Rest stehen die Liquidierung, die Demontage, der Kahlschlag bevor, der für die nächsten Jahre bereits auf 50% geschätzt wird. Man will also die Universität ausschlachten wie ein Stück Vieh und ausschürfen wie ein Bergwerk, anschließend feilbieten, abverkaufen und zur Plünderung freigeben. So sollen wir alle zur verwertbaren Naturressource, zu Rohstoff oder aber zum Müll der Bildungsindustrie werden, der auf dem Abfallhaufen der Globalisierung landet - wenn wir es zulassen!
4. Die Privatisierung der Dienstleistungsbereiche läuft weltweit auf vollen Touren. Die Erfahrungen damit aber sind katastrophal. Die neuen Dienste sind überall von miserabler Qualität, teuer und knapp. Niemand hat diese Folgen vorher abschätzen wollen, und kaum jemand kann sie mehr stoppen, wenn sie erst eingetreten sind. Wir sollen also wiederholen, was anderswo, z.B. in England und Australien schon gründlich schiefgelaufen ist! Denn: Das ganze ist ein Geschäft. Und Geschäfte muß man machen, oder? Offenbar ist es neuerdings egal, wenn hinterher nichts als eine Wüste übrig bleibt!
Diese Universitätsreform ist für niemanden gut! Daher werden wir sie verhindern! Denn wir haben vor ihr in der Tat Angst. Aber wir haben keine Angst:- vor dem Sturz des Universitätsgesetzes (und der Ministerin) und
siehe
auch: Aufruf zur Unterschriftensamlung in ganz
Österreich
UG 2002: Nicht in unserem
Namen!"
Hochschulreform ja, aber in die umgekehrte Richtung, Warum
das UG 2002 den Aufgaben von Hochschule und Wissenschaft in
heutiger Zeit gerade nicht gercht wird - Innsbrucker
Protestkomitee gegen UG02 unter Verwendung eines Beitrages
von Univ.-Prof. Dr. Claudia von Werlhof, Innsbruck (Nov.
2002) [pdf.version]
http://emanzipationhumanum.de/deutsch/univ01.html |